Donald Trump hat das geplante Treffen mit Kim Jong Un abgesagt – und seinen Brief dazu veröffentlicht. Beobachter, Politiker und Diplomaten reagierten prompt: mit Entsetzen, Verständnis und Häme.
Wochenlang brüstete sich US-Präsident Donald Trump damit, dass er sich mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un treffen werde. Zwischenzeitlich war sogar davon die Rede, gelinge das Treffen und zeige sich Kim weiter bereit, sein Atomprogramm zu beenden, sei der Friedensnobelpreis angemessen.
Dann, am Donnerstag, veröffentlichte das Weiße Haus einen Brief, in dem Trump das Treffen absagt.
Hat sich der selbst ernannte „Dealmaker“ also verzockt?
Politik und Diplomaten
Südkoreas Regierung sei von der Entscheidung völlig überrascht gewesen, war zu lesen. „Wir versuchen noch zu verstehen, was Präsident Trump ganz konkret meint“, sagte ein Regierungssprecher Berichten zufolge.
South Korea’s presidential Blue House seems blind-sided by Trump’s cancelation of the summit: „We are attempting to make sense of what, precisely, President Trump means,“ says spokesman Kim Eui-kyeom.
— Anna Fifield (@annafifield) May 24, 2018
Nordkorea reagierte eher konziliant. In einer Botschaft teilte die Regierung mit, man bedauere Trumps unerwartete Entscheidung. „Aber wir verfolgen unverändert das Ziel und werden alles tun, um der koreanischen Halbinsel und der Menschheit Frieden und Stabilität zu bringen.“ Man biete den USA Zeit an, „offen und aufgeschlossen“ wie man sei.
The English language version of North Korea’s reaction to Trump’s summit cancellation just dropped — until now we were working off the Korean version. pic.twitter.com/ee7H4OcXKN
— Jerome Taylor (@JeromeTaylor) May 25, 2018
Japans Regierung will weiter eng mit den USA kooperieren. Man habe „Verständnis“ für Trumps Entscheidung, zitierte die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Freitag in einer ersten Reaktion eine nicht genannte Regierungsquelle in Tokio.
Innenpolitisch fielen die Reaktionen aus wie erwartet.
Die demokratische Senatorin Nancy Pelosi, eine der wichtigsten Politikerinnen der Opposition in den USA, kritisierte: „Ich denke, es ist gut für Kim Jong Un.“ Trump habe ihn „legitimiert“.
Unterstützung bekam Trump dagegen aus den eigenen Reihen, unter anderem vom republikanischen Senator Marco Rubio, den er im Vorwahlkampf 2016 noch als „kleinen Marco“ geschmäht hatte: „Es ist hundertprozentig richtig, sich aus den Gesprächen mit Nordkorea zurückzuziehen“, schrieb er auf Twitter.
Kim Jun Un, in the words of a wise man “Congratulations, you just played yourself”. Withdrawing from talks with #NKorea is 100% the right decision. #KJU doesn’t want a deal. He has deliberately sabotaged the talks over the last two weeks & was setting us up to take the blame.
— Marco Rubio (@marcorubio) May 24, 2018
Medien und Beobachter
Der ehemalige deutsche Botschafter in den USA und heutige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, fand in der „Bild“ scharfe Worte: Trump trete wie schon bei seiner Aufkündigung des Iran-Atomabkommens „als Meister des Störens und Zerstörens auf“. „Den Beweis, dass er mit seiner Unberechenbarkeit mehr Erfolg hat als ernsthafte Verhandlungen und politische Kompromisse, den ist er bisher schuldig geblieben.“
Auf Twitter bezeichnete Ischinger den Brief als „bizarr“. Er werde angehenden Diplomaten wohl bald als Beispiel dafür dienen, wie man es nicht macht:
This letter will surely be studied in diplomatic academies everywhere – as an example of really bad letter-writing https://t.co/kHFHSW3TPX
— Wolfgang Ischinger (@ischinger) May 24, 2018
Die „New York Times“ schreibt, sollte Trump sich jetzt intensiv vorbereiten, müsse die Entscheidung nicht schaden. „Aber es wäre zutiefst bedauernswert und letztlich gefährlich, wenn es damit endet, dass sich die beiden hitzköpfigen Staatschefs beleidigt zurückziehen und die Schulhofspötteleien wieder aufnehmen, die sie während der vergangenen 16 Monaten ausgetauscht haben.“
Gerhard Spörl, t-online.de-Kolumnist, schreibt: „Ich glaube, dass Trump wie Kim es anfangs ernst meinten, aber die Schwierigkeiten der historischen Zäsur unterschätzten. … Die Gegenspieler einer Versöhnung in Washington und Peking bekamen Oberwasser, und schon war es vorbei. Ohne festen Willen, ohne Ausdauer, ohne Rückhalt lässt sich Geschichte nun mal nicht schreiben.“
Dagegen kommentiert Kurt Kister, Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung„: „Amerika ist seit Menschengedenken von keiner dilettantischeren Clique regiert worden als der Trump-Gruppe.“
„So sad!“, so traurig!, titelt „Die Welt“ am Morgen nach der Entscheidung, unter Anspielung auf Trumps Neigung, an das Ende seiner Tweets ein ausrufendes „sad“ zu hängen.
- dpa, AFP, Reuters
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