Eines vorab: Ob die Stadtentwicklungspolitik in Berlin zukünftig mieterfreundlich sein wird, hängt nicht allein von einem Staatssekretär ab. Immerhin gibt es einen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag. Der kündigt zum Beispiel an, „der Bodenspekulation entgegenzutreten“ und liest sich auch sonst sehr knackig: Mit dem Abverkauf städtischer Immobilien soll ebenso Schluss sein wie mit einer Politik, die den Sozialwohnungsbestand behandelt wie einen totgeweihten Patienten, dem man nur noch das Händchen halten kann. Statt zuzusehen, wie die Betongoldgräberstimmung die Hauptstadt in eine Metropole verwandelt, die sich Normalverdiener nicht mehr leisten können, und in der Arme keinen Platz haben, sollen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften neue bezahlbare Wohnungen bauen. Der Senat will den Schuldendienst Berlins drastisch reduzieren, um diese Vorhaben finanzieren zu können.

Mit Andrej Holm hatte Rot-Rot-Grün einen Mann zu Hand, der wie kein zweiter für eine solche, neue Politik hätte stehen können. Als Blogger, Buchautor und aktivistischer Berater von Initiativen wie Kotti & Co. oder dem Berliner Mietenvolksentscheid ist er in Sachen Gentrifizierung die Glaubwürdigkeit in Person – was die Personalie in Zeiten des Geschimpfes auf „Eliten“ und „Volksverräter“ doppelt interessant gemacht hat.

Dass der parteilose Wissenschaftler sich dem Amt allzu sehr angepasst hätte, ist schwer vorstellbar. Holm kommt aus sozialen Bewegungen und fühlt sich diesen verpflichtet – kein Wunder also, dass die CDU und die Immobilienlobby Zeter und Mordio über seine linkradikale Vita schrien, als er berufen wurde – und dass umgekehrt eine Petition auf Change.org in wenigen Tagen über 16.000 Stimmen für den Verbleib Holms sammelte.

Fehltritt eines Teenagers

Kurzum: Ausgerechnet Deutschland profiliertesten Gentrifizierungskritiker zum wichtigsten Beamten von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) zu berufen – das war eine deutliche Ansage des rot-rot-grünen Berliner Senats. Wenn Bürgermeister Müller (SPD) ihn jetzt wieder aus dem Amt werfen lässt, ist das ebenfalls eine Ansage. Bloß: Was für eine eigentlich?

Die Stasi-Vergangenheit Holms reicht als Grund für den Rauswurf nicht aus. Dass der 46-Jährige ab September 1989, also im zarten Altern von 18 Jahren, zunächst eine militärische Ausbildung bei der Stasi absolvierte und dann noch ein paar Wochen als hauptamtlicher Mitarbeiter des sich auflösenden Ministeriums für Staatssicherheit Berichte las und Radio hörte – all das war seit 2007 bekannt. Man hätte es als Fehltritt eines Teenagers verbuchen können, der aus einer SED-treuen Familie kommt und ein eher positives Bild von der DDR hatte.

„Die DDR schien mir nicht ein Ort zu sein, in dem man nicht für Veränderungen eintreten kann“, sagte Holm im Interview mit der ZEIT ONLINE. „In meinem Umfeld gehörten Überwachung und Diskussionen um IMs nicht zum Alltag.“ Statt sich darauf zurückzuziehen, in jugendlicher Naivität und auf Druck des Elternhauses gehandelt zu haben, übernimmt er Verantwortung für seine Entscheidung und erklärt, warum für ihn die Ausbildung bei der Stasi damals in Frage kam. Diese Sätze zeigen einen bemerkenswert ehrlichen Umgang mit der eigenen Biografie in der SED-Diktatur, der sich vom formelhaften „wie konnte ich nur!“ vieler anderer angenehm unterscheidet.

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