Nach seinen Äußerungen über die Bewachung jüdischer Einrichtung wird Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht scharf kritisiert – auch seitens des Präsidenten des Zentralrats der Juden. Stahlknecht hingegen spricht von einem „Missverständnis“.
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) steht wegen Äußerungen über die Bewachung jüdischer Einrichtungen in dem Bundesland weiter in der Kritik. Stahlknecht hatte vergangene Woche das Polizeirevier in Dessau-Roßlau besucht, wo ein Beamter positiv auf das Coronavirus getestet wurde.
Laut „Mitteldeutscher Zeitung“ hatte Stahlknecht bei dem Besuch erklärt, dass die Beamten, weil sie wegen der Bewachung jüdischer Einrichtungen zusätzliche Arbeitsstunden leisten müssten, gegebenenfalls nicht bei jeder Anforderung pünktlich zu Stelle sein könnten.
Zentralrat der Juden stellt Eignung Stahlknechts in Frage
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte daraufhin Zweifel an der Eignung Stahlknechts als Innenminister geäußert. „Mit seinen Äußerungen suggeriert Minister Stahlknecht, Juden seien schuld daran, wenn sich die Polizei um die Belange der übrigen Bevölkerung nicht mehr angemessen kümmern könne“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, am Montag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Ein Landesinnenminister scheut sich nicht, Juden als privilegiert darzustellen und sie gegen andere Bevölkerungsgruppen auszuspielen“, kritisierte er weiter. „Damit befördert er Antisemitismus, das ist ein Armutszeugnis.“ Es stelle sich die Frage, „ob Holger Stahlknecht weiter für das Amt des Innenministers geeignet ist“.
Stahlknecht spricht von „Missverständnis“
Stahlknecht selbst sprach am Dienstag von einem „Missverständnis“. „Mein Ziel war und ist es, deutlich zu machen, dass die erhöhte Polizeipräsenz zum Schutz der jüdischen Einrichtungen für mich nicht verhandelbar ist und oberste Priorität in meinem Handeln hat“, erklärte er in Magdeburg. Er sei „zutiefst betroffen und erschüttert, dass meine Äußerungen offensichtlich für ein Missverständnis gesorgt haben“.
Scharfe Kritik seitens Opposition
Kritik an Stahlknecht kommt auch von den Koalitionspartnern SPD und Grüne. Jeder Minister müsse sich kümmern, wenn die Personaldecke zu kurz sei, schrieb Katja Pähle, SPD-Fraktionschefin im Landtag und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Aber der Öffentlichkeit zu signalisieren, der Schutz jüdischer Einrichtungen verhindere andere Polizeiaufgaben – das ist unverantwortlich.“
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag, Sebastian Striegel, twitterte, es sei „der grassierende Antisemitismus, der unser Land unsicher macht“ und nicht der Polizeischutz für jüdische Einrichtungen.
ZF Synagoge 18.20
Die Linke forderte den Rücktritt von Stahlknecht. Schon kurz nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle vor einem Jahr hätten Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und sein Innenminister vor allem eine Fehleranalyse der Behörden vermieden. „Dass der Innenminister jetzt auch noch aufrechnet, wie viel der Schutz von Minderheiten zu Lasten der Mehrheit kostet, bringt das Fass zum Überlaufen“, kritisierten die innenpolitische Sprecherin Henriette Quade und der religionspolitische Sprecher Wulf Gallert.
Rückendeckung erhielt Stahlknecht aus der CDU. Der Minister habe „klar gesagt, dass für ihn der Schutz jüdischer Einrichtungen oberste Priorität hat“, twitterte Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Sven Schulze.
Zusätzliche Millionen für den Schutz jüdischer Einrichtungen
Unterdessen wurde bekannt, dass Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren zusätzliche Millionensummen bereitstellen wird, um den Schutz jüdischer Einrichtungen im Land zu verbessern. Ministerpräsident Reiner Haseloff, Innenminister Holger Stahlknecht und der Vorsitzende des Landesverbands jüdischer Gemeinden, Max Privorozki, unterzeichneten am Dienstag entsprechende Verträge.
Bis Ende des nächsten Jahres stellt das Land 2,4 Millionen Euro zur Verfügung, mit der die Sicherheit der jüdischen Einrichtungen mit weiterer Technik und baulichen Veränderungen erhöht werden soll. Im Anschluss soll eine Zusatzvereinbarung zu einem bestehenden Staatsvertrag langfristig weitere Finanzhilfen garantieren. Dabei sind auch Gelder für Wachpersonal vor Ort eingeplant. Die Erweiterung des Staatsvertrags muss noch der Landtag billigen. Innenminister Stahlknecht sprach von einem „wirklich guten Tag für das jüdische Leben und das Miteinander in Sachsen-Anhalt“.
Quellen: AFP / DPA / „Mitteldeutsche Zeitung“
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