Die Abschaffung der Stichwahl bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen durch die CDU/FDP-Koalition war verfassungswidrig. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Landes am Freitag in Münster entschieden.
Damit müssen die Bürger künftig wieder ein zweites Mal ins Wahllokal, wenn es im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit für einen Bürgermeister oder Landrat gibt. Die Opposition wertete das Urteil als «schallende Ohrfeige» für die Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Die nächsten Kommunalwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland sind Mitte September.
Die Abschaffung der Stichwahl sei nicht mit der Landesverfassung vereinbar, sagte der Gerichtshof zur Begründung. Für die Wahl der Bürgermeister und Landräte sei neben der demokratischen Legitimation auch die Höhe des Zustimmungsgrades von Bedeutung. «Die relative Mehrheit kann im ersten Wahlgang extrem weit weg sein von der absoluten Mehrheit», sagte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Ricarda Brandts, in der Urteilsbegründung.
Der Gesetzgeber habe es versäumt, bei der Analyse der vergangenen Wahlen die «bedeutsame zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft zumindest in den Blick zu nehmen», sagte Brandts. Sie sparte nicht mit Kritik an der Landesregierung und den Regierungsparteien. «Sie haben sich im Vorfeld mehrfach über Hinweise in den Beratungen zu dem neuen Gesetz hinweggesetzt.»
Dies sei besonders bemerkenswert, sagte Brandts, weil CDU, SPD und Grüne bereits 2016 wegen der Zersplitterung der Parteienlandschaft eine Sperrklausel für Rats- und Kreistagswahlen von 2,5 Prozent in der Verfassung verankert hatten – Parteien und Wählergemeinschaften mit weniger Stimmen bekommen keinen Sitz im Kommunalparlament.
Die Gegner einer Stichwahl verweisen vor allem auf die geringe Wahlbeteiligung bei diesem zusätzlichen Wahlgang. SPD und Grüne argumentieren hingegen, wenn die einfache Mehrheit im ersten Wahlgang ausreiche, könnten zunehmend auch radikale Bewerber zum Zug kommen. Die nächsten Kommunalwahlen in NRW stehen im September 2020 an.
Die Entscheidung der Verfassungsrichter fiel denkbar knapp aus. Drei der sieben Richter gaben ein sogenanntes Sondervotum ab. Nach der Auffassung von Andreas Heusch, Barbara Dauner-Lieb und Matthias Röhl ist die Abschaffung der Stichwahl mit der Landesverfassung vereinbar.
SPD-Generalsekretärin Nadja Lüders bezeichnete das Urteil als «eine schallende Ohrfeige» für die Regierung Laschet. «Die Demokratie hat gewonnen», sagte Lüders. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty sagte: «Wir sind vom Gericht in unserer Überzeugung bestätigt worden und haben den schweren Angriff auf die Demokratie erfolgreich abgewandt.»
Die Grünen nannten die Entscheidung des Gerichts eine «verheerende Niederlage» für die schwarz-gelbe Landesregierung. Mit der Abschaffung der Stichwahl hätten «allein parteipolitische Interessen vor allem der CDU bedient» werden sollen, sagte Grünen-Fraktionsvize Mehrdad Mostofizadeh. Für eine «starke lokale Demokratie» sei es wichtig, dass «ein höheres Maß an Legitimation auch bei den Kommunalwahlen 2020 wieder gilt».
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