Für Nora Illi bedeutet der Niqab, also eine Verschleierung des Gesichts, „Selbstbestimmung und Freiheit“. Man habe als Frau im Islam „viele Rechte und Möglichkeiten, sich auszuleben“. So sagte sie es in der TV-Sendung „Anne Will“ vor einem Millionenpublikum. Ihr Gesicht zeigte sie nicht. Illi ist die Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrates in der Schweiz und in der Öffentlichkeit zeigt sie sich immer nur verschleiert. Einige Internetnutzer waren irritiert: „Was soll das? Frau Will, sorgen Sie bitte dafür, dass ich die Gesichter aller Gäste sehen kann“, schrieb jemand. Und: „Ich verstehe nicht, dass jemand, der sein Gesicht nicht zeigen will, zu einer Talkrunde im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeladen wird“, konnte man im Forum zur Sendung lesen.

Die Schweizerin Illi wuchs „Swissinfo“ und „Heute.at“ zufolge in einem atheistischen Elternhaus auf, interessierte sich für das Christentum, das Judentum und besonders den Buddhismus. Auf einer Dubai-Reise im Alter von 16 Jahren habe sie ein Art „Erweckungserlebnis“ gehabt und konvertierte zwei Jahre später zum Islam. Sie ist mit einem Konvertiten verheiratet und hat fünf Kinder. In der Schweiz ist die 32-Jährige wegen ihrer polarisierenden Aussagen schon viele Jahre in den Medien präsent. In Deutschland trat sie bereits 2012 bei „Menschen bei Maischberger“ auf, was – wie nun bei „Anne Will“ – für viele Diskussionen um ihre Vollverschleierung im TV führte.

Damals propagierte sie die Polygynie, also das Recht des Mannes, mehrere Frauen zu haben. Frauen hingegen hätten nicht das Recht auf mehrere Männer. Dem Schweizer „Blick“ sagte sie, sonst „wüsste ja niemand, von wem die Kinder sind“. Außerdem hätten Männer halt den größeren Sexualtrieb. Zudem müssten Frauen sich nicht immer hübsch machen und alles aufräumen, wenn der Mann auch Zeit bei seiner anderen Frau verbringe.

Nora Illi: Niqab zum Schutz vor Männern

Den Niqab sieht sie auch als „Schutz“, wie sie „RP-online“ in einem Interview verriet. Allah empfehle Frauen im Koran, den Niqab zu tragen. Sie selbst habe sich aber aus freien Stücken dafür entschieden. Sie wolle bestimmen, was Männer von ihr sehen. „Ich möchte nicht, dass ein Mann sieht, dass ich aus Schüchternheit lächle, wenn er zu mir sagt ‚Sie haben schöne Augen‘. Dann denkt er, mir gefällt, was er sagt.“ Auf die Frage, warum islamische Männer sich nicht verhüllten, sagte sie: „Es ist der Drang der Frau, schön zu sein und gefallen zu wollen. Der Mann hat diesen Drang nicht so sehr.“

Den Niqab trage sie aus Überzeugung und er störe sie im Alltag nicht. „Nur ein Eis in der Waffel zu essen, ist schwierig. Mit einem Löffel geht es aber.“ Ein Burka-Verbot sähe sie als Widerspruch zum deutschen Grundrecht. „Denn dort ist die Religionsfreiheit verankert.“ Allerdings sieht auch sie notwendige Einschränkungen: Vor Gericht müssten die Prozessbeteiligten einmal sehen, welches Gesicht sich hinter dem Schleier verbirgt. Danach dürfe die Person sich aber wieder verschleiern, findet Illi.

„RP-online“ wollte von ihr wissen, ob auch ihre vier Töchter einmal Gesichtsschleier tragen sollten. Darauf entgegnete sie, dass es keinen Zwang im Glauben gebe, lediglich eine Empfehlung an Mädchen, sich zu verschleiern, wenn sie ihre Periode bekommen. „Ob und inwieweit sie das tun, ist eine persönliche Entscheidung.“ So auch bei ihren Töchtern. Dem „Blick“ sagte sie dazu: „Jede Mutter wünscht sich für ihre Kinder das Beste. Der Gesichtsschleier gehört für mich dazu.“

Haltung zu Europäern im Syrien-Krieg

Kritisiert wurde sie für ihre auch bei „Anne Will“ zur Sprache gekommene Sichtweise auf die Europäer, die sich Extremisten im Syrienkrieg anschließen. Sie könne aus „dem islamischen Kontext verstehen, dass es eine Motivation gibt, nach Syrien zu gehen“, sagte sie „Blick“. Krieg sei „leider immer blutig und es gibt immer Gräueltaten – auf beiden Seiten“.

In einem eigens verfassten Text dazu sprach sie davon, „dass die Versuchung riesig sein muss (…) um im gelobten Syrien gegen die Schergen Assads und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Daran ist aus islamischer Sicht nichts auszusetzen.“ Das Ganze sei eine „bitterharte Langzeitprüfung mit ständigen Hochs und Tiefs“.

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