Das politische Washington hat das neue Jahr mit einer Zwangspause begonnen, und es sieht nicht so aus, als würde sich daran schnell etwas ändern. Seit zwei Wochen sind weite Teile der US-Regierung durch den sogenannten Shutdown stillgelegt. Darunter wichtige Behörden wie das Außenministerium, die Heimatschutzbehörde und das Finanzministerium. Rund 800.000 öffentliche Angestellte arbeiten entweder ohne Bezahlung oder wurden in unbezahlten Urlaub geschickt, weil sich Kongress und Präsident nicht auf einen Haushalt einigen können. Nun haben die oppositionellen Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernommen. Der Streit wird damit zu einem Machtkampf zwischen Präsident Donald Trump und Nancy Pelosi, die am Donnerstag von der neuen demokratischen Mehrheit zur Sprecherin gewählt wurde. Für keine Seite hat es derzeit Sinn, einen Kompromiss zu schließen.

Denn Anlass für den Streit ist die Mauer, die Präsident Trump an der Grenze zu Mexiko bauen will. Er verlangt 5,6 Milliarden Dollar für das Projekt. Die Demokraten lehnen die Mauer als unnütz und unzeitgemäß ab. Der Betrag, den der Präsident verlangt, klingt hoch. Angesichts eines US-Haushaltsbudgets von über vier Billionen wäre Trumps Mauer allerdings kaum mehr als ein Rundungsfehler. Doch die Mauer ist längst zum Symbol geworden. Ihr Bau war das Versprechen, mit dem es Trump schaffte, sich im Wahlkampf 2016 vom Rest der Kandidatinnen und Kandidaten abzuheben. Die Mauer wurde für seine Anhängerinnen und Anhänger zur Kurzformel für seine extreme Position in der Einwanderungsdebatte und nicht zuletzt für seine „America First„-Politik.    

Für die Demokraten auf der anderen Seite ist der Widerstand gegen Trumps Mauer zur Agenda geworden, hinter der sich sowohl der linke Flügel als auch moderate Vertreter sammeln können. Zwar holte die Partei bei den Kongresswahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Doch sie ist tief gespalten über den weiteren Kurs. Jüngere und radikalere Abgeordnete wie die 29-jährige Alexandria Ocasio-Cortez, die in New York überraschend gegen einen etablierten Demokraten gewann, drohten zunächst damit, Pelosis erneute Nominierung zur Mehrheitsführerin verhindern zu wollen. Die 78-Jährige hatte den Posten bereits unter Obama inne und verhalf ihm damals zu den notwendigen Mehrheiten für seine Gesundheitsreform. Doch dieser Erfolg führte letztlich auch zum Verlust der Mehrheit im Kongress im Herbst 2011 und verhinderte damit weitere politische Siege für Obama. Viele in der Partei gaben auch Pelosi die Schuld daran. Erst als Pelosi zusicherte, nicht länger als vier Jahre im Amt zu bleiben, signalisierten die sogenannten Rebellen um Ocasio-Cortez, sie würden helfen, sie noch einmal zur Sprecherin zu küren. 

Angesichts der brüchigen Allianz im eigenen Lager kann es sich Pelosi kaum leisten, Trump in der Mauerfrage einen politischen Sieg zu liefern. Als erste Amtshandlung ließ Pelosi deshalb das Repräsentantenhaus mit den Stimmen ihrer Partei einen Haushaltsentwurf verabschieden, der im Prinzip den Shutdown beenden würde. Der Entwurf enthält kein Budget für eine Mauer. Bei einem überraschenden Auftritt vor der Presse am Donnerstag bekräftigte Trump deshalb erneut, dass er keinem Haushalt zustimmen werde, der keine Mittel für den Bau enthalte.

Trump seinerseits ist entschlossen, Pelosi und die Demokraten als schwach beim Grenz- und Heimatschutz vorzuführen. Zwar gaben Wählerinnen und Wähler in den Vorstädten, die traditionell konservativ sind, bei den Kongresswahlen an, sich von der harschen Rhetorik des Präsidenten abgestoßen zu fühlen. Die Partei musste dort herbe Verluste hinnehmen. Bei seinen Veranstaltungen draußen auf dem Land erhält Trump für seine harte Linie gegen Einwanderer und Ausländerinnen und Ausländer jedoch regelmäßig lautstarke Zustimmung. Dort hat der Präsident Immigranten immer wieder als Vergewaltiger und Kriminelle bezeichnet.

Trumps Basis will die Mauer

Trump hat bereits zu spüren bekommen, was ihm droht, wenn er von seiner Forderung für die Mauer abrückt. Noch Tage vor dem Shutdown hatte es so ausgesehen, als ob Trump nicht länger auf eine physische Mauer bestehen würde. Er sprach von „Grenzsicherheit“ statt von einer Mauer und unterschrieb einen Haushaltsentwurf, der keine Finanzierung für seine Mauer vorsah. Doch bei seinen Anhängern und dem rechten Flügel der Partei kam das gar nicht gut an. In Talkshows auf seinem Lieblingssender Fox News wurde Trump gescholten, er sei vor den Demokraten eingeknickt. Schnell änderte Trump seine Entscheidung und ist seither nicht mehr davon abgerückt.

Derweil werden die Folgen des Stillstands immer deutlicher. Ein Beamter, der für die Steuerbehörde IRS arbeitet, sagte dem TV-Sender CNBC, er habe sein 200 Dollar teures Insulin nicht von der Apotheke abholen können, weil der Diabetiker bereits mehr als zehn Tage keinen Lohn erhalten habe. Viele leben von Erspartem oder verschulden sich über ihre Kreditkarte, um über die Runden zu kommen. Julie Burr, eine alleinerziehende Mutter, die als Sekretärin im Verkehrsministerium arbeitet, überlegt, ob sie die Weihnachtsgeschenke wieder einkassieren soll oder Wertgegenstände verkaufen muss. Sie versucht, Geld über Internetseiten wie GoFundMe.com einzusammeln.

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