Eines vorweg in aller Deutlichkeit: Nein, pauschale Verdächtigungen und Kontrollen von Menschen allein aufgrund ihres Aussehens oder anderer Willkür soll und darf es im Rechtsstaat nicht geben. Auch nicht in Zeiten besonders großer Terrorgefahr. Und ja: Die im Polizeijargon offenbar übliche, Insidern allerdings längst bekannte Bezeichnung „Nafris“ für Nordafrikaner zeugt nicht von Respekt, sie in öffentlichen Tweets zu verwenden, ist mindestens ungeschickt. Ein Kommunikations-Gau, für den sich Kölns Polizei-Chef Jürgen Mathies entschuldigt hat. Daran aufgehängt nun aber den Einsatz der Kölner Polizei als rassistisch motiviert und unverhältnismäßig zu verdammen, ist falsch.

Falsch deshalb, weil der Vorwurf pauschal und reflexhaft ist – und nach allem, was wir wissen, im konkreten Fall auch nicht zutreffend. Wie viele Beobachter berichtete auch der Reporter des stern, dass im Laufe des Silvesterabends die friedliche Atmosphäre in Köln kippte. Hunderte Männer drängten plötzlich in den Hauptbahnhof. Trotz der großen Öffentlichkeit und eines riesigen Polizeiaufgebots am Fuße des Doms drohte eine Situation wie vor einem Jahr zu entstehen. Diesmal aber war die Polizei vorbereitet und hat neuerliche Übergriffe verhindert. Das ist eine gute Nachricht.

Gruppe hatte sich verabredet, nach Köln zu kommen

Inwiefern gingen die Beamten dabei willkürlich vor? Nach Erkenntnissen der Polizei hatten sich die Männer, die in großer Zahl zu gleicher Zeit am Kölner Hauptbahnhof eintrafen und dort „die gleiche aggressive Grundstimmung wie vor einem Jahr“ (Mathies) erzeugten, über die sozialen Medien verabredet. Die Anreise aus etlichen Städten Nordrhein-Westfalens hatten Bundespolizisten bereits verfolgt. Die jungen Männer, die die Beamten dann in Köln kontrollierten, waren daher zu großen Teilen keineswegs willkürlich, sondern aufgrund der Erkenntnisse des Abends ausgewählt worden. Dass der verdächtigen Gruppe aus der Silvesternacht 2015 ein besonderes Augenmerk galt, liegt in der Natur der Sache. Wo sonst sollte die Polizei ansetzen, wenn nicht bei vorhandenen Ermittlungsergebnissen? Und „zu 99 Prozent“, so Mathies, wurden diese an Silvester bestätigt. Es waren vor allem Männer maghrebinischer Herkunft, die – wie im Jahr zuvor – in den Kölner Hauptbahnhof drängten.

Aber: „Es geht nicht um die ethnische Ausrichtung, sondern um das Verhalten“, hat der Kölner Polizeipräsident betont. Und viel spricht dafür, dass die Polizei an diesem Silvesterabend nach dieser Maxime vorgegangen ist. Dass dies tatsächlich so ist und die Sicherheitskräfte danach handeln, darauf muss selbstverständlich auch in Zukunft geachtet werden. Es gehört aber auch zu den Erkenntnissen polizeilicher Ermittlungen, dass bestimmte kriminelle Milieus in einzelnen ethnischen Gruppierungen besonders stark organisiert sind. Daraus im Umkehrschluss gleich den Vorwurf des „racial profiling“ zu generieren, ist nicht redlich.

Sicherheit – kein Thema für Schwarz-Weiß-Malerei

Die neuerliche Debatte zeigt vor allem eins: Die Polizei steht in diesen Zeiten großer Verunsicherung und großer Angst vor dem Terror vor komplexen Aufgaben. Das Thema taugt nicht für Schwarz-Weiß-Malerei, es taugt nicht für einfache Urteile, es taugt nicht für Wahlkampfsprüche und es taugt nicht für neunmalkluge Twittereien à la Jan Böhmermann („Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Nafri und Neger?“). Es taugt allerdings auch nicht für polizeiliche Aussetzer wie den „Nafri“-Tweet. Nach dem Attentat von Berlin mussten sich die Sicherheitsbehörden zu Recht fragen lassen, warum sie gegen den als Gefährder eingestuften, späteren mutmaßlichen Attentäter Anis Amri nicht konsequenter vorgegangen sind. In Köln haben die Beamten Konsequenz gezeigt. Wenn die Polizei falsch, nachlässig oder rassistisch vorgeht, muss das angeprangert werden. In der Kölner Silvesternacht 2016 aber war dies nicht der Fall.

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