Prognose im Sozialbericht

Berlin (dpa) – Trotz Beschäftigungsrekord sind die Ausgaben für Sozialleistungen auch im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Sie legten gegenüber 2015 um 3,7 Prozent auf 918 Milliarden Euro zu. Und in den nächsten vier Jahren überschreiten sie laut Prognose die Billionen-Grenze und liegen 2021 dann bei 1,1 Billionen Euro.

Das geht aus dem Sozialbericht 2017 von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hervor, der heute im Kabinett verabschiedet wurde. Die Ministerrunde wurde von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) geleitet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zur Zeit im Urlaub.

Die Sozialausgaben machen knapp 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Dieser Anteil am BIP ist nach Angaben des Sozialministeriums seit 2011 in etwa auf demselben Niveau geblieben. Das bedeute, dass die Sozialleistungen nicht wesentlich schneller anstiegen als die Wirtschaftsleistung. Der Arbeitgeberverband BDA hatte vor kurzem davor gewarnt, dass mit den Sozialleistungen auch die Sozialbeiträge steigen könnten und damit Arbeitsplätze gefährdet würden. Etwas mehr als die Hälfte der Beiträge zahlt der Arbeitnehmer, entsprechend weniger der Arbeitgeber.

Mehr als 80 Prozent der Sozialleistungen oder gut 720 Milliarden Euro dienten zur Absicherung der Risiken Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Invalidität, Alter und Tod, so das Sozialministerium. Ein wesentlicher Posten ist die Sozialhilfe, die zuletzt bei mehr als 30 Milliarden Euro lag. Die Ausgaben des Bundes für Hartz-IV lagen zuletzt bei mehr als 20 Milliarden Euro.

Deutschland liege mit seiner Sozialleistungsquote leicht über dem europäischen Durchschnitt, hieß es. Deutlich höhere Sozialleistungen weisen den Angaben zufolge etwa Frankreich oder Dänemark aus.

Ministerin Nahles erklärte, die Sozialsysteme sicherten elementare Lebensrisiken ab, ermöglichten den Zugang zu Leistungen wie Bildung, Gesundheit und Wohnen sowie sorgten für eine funktionierende soziale Infrastruktur. «Kurz: Sie sorgen für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft.» Ein moderner und gut ausgebauter Sozialstaat stärke Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. «Soziale Dienstleistungen sind ein Wachstumsmarkt und Jobmotor.»

Nach Darstellung des Sozialverbandes VdK sind hohe Sozialleistungen trotz geringer Arbeitslosigkeit ein deutlicher Hinweis auf viele schlecht bezahlte Jobs. VdK-Präsidentin Ulrike Mascher sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Arbeit muss gut bezahlt werden. Dadurch erhalten die Sozialversicherungssysteme auch eine tragfähige Finanzgrundlage.»

Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist für etwa ein Drittel der Beschäftigten atypische oder gar prekäre Arbeit immer noch der Normalfall. Das reiche vom unsicheren Arbeitsplatz über das Hangeln von Befristung zu Befristung oder Leiharbeit bis hin zu Minijobbern ohne Aussicht auf eine Vollbeschäftigung oder den Zweitjob, um über die Runden zu kommen.

Die Zahl der Geringfügigbeschäftigten nahm nach einer DGB-Statistik von 2003 bis heute von 5,3 Millionen auf knapp 7,5 Millionen zu. Zuletzt ging die Zahl allerdings wieder leicht zurück.

Der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Karl Schiewerling, unterstrich, der Sozialbericht stelle eine Gesamtschau aller staatlichen und privaten Leistungen dar – auch die Leistungen der Arbeitgeber. Gesundheit und Rente gehören genauso dazu wie die Versorgungswerke der Selbstständigen, die betriebliche Altersvorsorge und die Ausbildungs- und Aufstiegsförderung. «Die Steigerungen in den Sozialhaushalten beruhen vor allem darauf, dass mehr Menschen Beschäftigung gefunden haben und dass wir in den letzten Jahren hohe Lohnzuwächse hatten.»

Nach den Worten von Linken-Chef Bernd Riexinger hat Nahles prekäre Arbeit in Deutschland salonfähig gemacht. «Die Löhne für immer anspruchsvollere und unsicherere Jobs reichen hinten und vorne nicht. Schon gar nicht als Garant für eine sichere Rente und gegen Altersarmut.» Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn plädierte für eine gezieltere Sozialpolitik. «Denn an vielen geht der derzeitige Aufschwung vorbei und die Armut nimmt sogar noch zu.»

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