Saarbrücken – Kommt es zu einem Machtwechsel an der Saar? Ein halbes Jahr nach dem SPD-Sieg bei der Bundestagswahl wird erstmals wieder ein Landtag neu gewählt.
Nach der Öffnung der Wahllokale am Morgen gab bis zum Nachmittag gut ein Viertel der mehr als 750.000 Wahlberechtigten seine Stimme in einem der Wahllokale ab. Die Beteiligung ohne Briefwähler lag um 14.00 Uhr bei 28,5 Prozent, wie die Landeswahlleiterin mitteilte. Die Daten basierten auf einer stichprobenartigen Umfrage in 49 Urnenwahlbezirken.
In den Umfragen lag die CDU mit Ministerpräsident Tobias Hans zuletzt deutlich hinter der SPD, bislang der kleinere Partner in einer großen Koalition. Die bisherige Vize-Regierungschefin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger, hatte damit gute Chancen, an der Saar erste sozialdemokratische Ministerpräsidentin zu werden.
Hans: „Wir haben alles getan“
Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hob nach seiner Stimmabgabe am Morgen die Rückenstärkung seiner Partei für die Landtagswahl hervor. „Wir haben alles getan, meine Frau hat mich sehr unterstützt, und die CDU Saar hat gekämpft wie eine Eins, das hat mir richtig gutgetan und Kraft gegeben“, sagte Hans in seinem Heimatort, dem Neunkirchener Stadtteil Münchwies. „Jetzt entscheiden die Bürgerinnen und Bürger.“
Rehlinger lobte den Wahlkampf ihrer Partei. „Wir haben einen fantastischen Wahlkampf gemacht, ich glaube, wir haben alles gegeben“, sagte sie nach ihrer Stimmabgabe in Wadern-Nunkirchen. Sie hoffe, „dass es am Ende mit all dem gereicht hat, was man angeboten hat“, so Rehlinger. „Aber wer zu früh siegessicher ist, der hat auch schon manchmal ein böses Erwachen gehabt. Das wollen wir nicht.“
Amtliches Endergebnis noch am Abend erwartet
Mit den ersten Hochrechnungen wird kurz nach der Schließung um 18.00 Uhr gerechnet. Das vorläufige amtliche Endergebnis soll dann noch am Abend feststehen. Das Saarland mit knapp einer Million Einwohnern ist das kleinste Flächenland unter den Bundesländern. Der Landtag mit 51 Abgeordneten ist der kleinste in Deutschland. Trotzdem gilt die Wahl auch als Stimmungstest für die Bundespolitik. In diesem Jahr finden noch Landtagswahlen im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie im Oktober in Niedersachsen statt.
Die CDU stellt in Saarbrücken seit fast 23 Jahren die Regierungschefin oder den Regierungschef. Hans ist allerdings zum ersten Mal Spitzenkandidat. Der 44-Jährige hatte den Posten 2018 übernommen. CDU-Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer wechselte damals in die Bundespolitik. Für die 45-jährige Rehlinger ist es der zweite Versuch, Regierungschefin zu werden. Die SPD stellte an der Saar zuletzt bis 1999 den Ministerpräsidenten.
Den Umfragen zufolge ist gut möglich, dass es künftig wieder eine große Koalition gibt – diesmal allerdings unter Führung der SPD. Hans hat offen gelassen, ob er auch als Vize unter Rehlinger ins Kabinett gehen würde. Die künftige Konstellation hängt auch davon ab, wer es von den anderen Parteien in den Landtag schafft. Bislang sitzen dort noch die Linke und die AfD. Den Umfragen zufolge ist aber nicht sicher, dass sie es wieder über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Gleiches gilt für die Grünen und die FDP.
Das ZDF-„Politbarometer“ sah die SPD diese Woche bei 41 Prozent (Wahl 2017: 29,6 Prozent) weit vor der CDU mit nur noch 28 Prozent (40,7 Prozent). Für die Linke ergaben sich nur noch vier Prozent (12,8), für die AfD 6,5 Prozent (6,2), für die Grünen 5,5 Prozent (4,0) und für die FDP genau 5 Prozent (3,3).
Absolute Mehrheit für SPD nicht ausgeschlossen
Damit wäre eine Koalition unter Führung der SPD sowohl mit CDU als auch Grünen mehrheitsfähig. Reichen könnte es auch für eine sozialliberale Regierung oder eine Ampel-Koalition wie in Berlin, wenn es die FDP in den Landtag schafft. Andererseits wäre selbst eine absolute Mehrheit für die SPD nicht ausgeschlossen, sollten mehrere kleinere Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Die Umfragen sind allerdings mit einer Reihe von Unsicherheiten behaftet. Infolge der Corona-Pandemie wird mit einem deutlich höheren Anteil der Briefwähler als vor fünf Jahren (20,3 Prozent) gerechnet. Damals hatten sich die Meinungsforscher schwer geirrt. Sie sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus, die SPD verlor dann aber haushoch. Bei der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres wurde sie an der Saar dann erstmals seit 16 Jahren wieder stärkste Kraft.
Rehlinger, die auch stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende ist, hat „große Sympathien“ für eine Wiederauflage der großen Koalition zu erkennen geben – nun aber unter ihrer Führung. Zu anderen möglichen Koalitionen hält sie sich bedeckt. Nur ein Bündnis mit der Linkspartei schloss sie aus. Als Ministerpräsidentin will sie auf 400.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze kommen, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis Ende 2030 auf 40 Prozent verdoppeln und kostenfreie Kita-Plätze schaffen.
Hans liegen Strukturwandel und Zukunftstechnologien am Herzen. Er kämpft für die Ansiedlung von Unternehmen, die wegen IT-Forschung an die Saar kommen und neue Arbeitsplätze schaffen, sowie für mehr Digitalisierung, Abbau von Bürokratie, moderne Schulen mitsamt einer neuen internationalen Schule. Im Gegensatz zu SPD und Grünen will er keinen „massiven Zubau von Windenergie“.
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