Bei Italiens Staatspräsident Mattarella gehen in diesen Tagen die politischen Kontrahenten ein und aus. Er versucht, die Stimmung für die Bildung einer neuen Regierung auszuloten – vielleicht auch ohne den bisherigen Ministerpräsidenten Conte.
Fließbandarbeit in Rom: Italiens Präsident Sergio Mattarella hat nach dem Rücktritt von Regierungschef Giuseppe Conte die Gespräche mit den Parlamentsparteien fortgesetzt.
Am Donnerstag war unter anderem die Kleinpartei Italia Viva zu Gast, die das Regierungsbündnis Mitte des Monats verlassen hatte. «Ich sehe derzeit keine Mehrheit ohne die Italia Viva», sagte Parteichef Matteo Renzi nach dem Gespräch. Der Ex-Ministerpräsident zeigte sich bereit für eine neue Mehrheit, wenn wieder über Themen wie Schulen, Arbeitsplätze und Corona-Impfungen diskutiert würde. Über ein drittes Kabinett Conte wollte er jedoch nicht sprechen.
Zuvor waren die Vertreter kleinerer Parteien bei Mattarella. «Wir bevorzugen eine eventuelle dritte Regierung unter Conte, weil wir gute Erfahrungen mit ihm gemacht haben», sagte die Präsidentin der Gruppe der Autonomen Provinzen im Senat. Auch einige Mini-Parteien stehen hinter Conte. Mattarella muss sich nach Contes Rücktritt mitten in der Corona-Krise darum kümmern, dass Italien eine neue Regierung bekommt. Die Beratungen gehen am Freitag weiter.
Mit dem Austritt aus dem bisherigen Mitte-Links-Bündnis hatte Italia Viva den Stein ins Rollen gebracht. Renzis Partei hatte sich mit dem Rest der Koalition über die Verwendung von EU-Hilfsgeldern zerstritten. Es folgte ein Vertrauensvotum im Parlament, aus dem Contes verbliebene Truppe zwar als Sieger hervorging, jedoch auf einer sehr wackeligen Basis. Nun gibt es viele Optionen. Eine Lösung könnte kompliziert werden. Mattarella will eine sichere Mehrheit, die bestenfalls bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 hält.
Auf Conte können sich die zuletzt verbliebenen Bündnispartner der Fünf-Sterne-Bewegung, der Sozialdemokraten und der Liberi e Uguali (Die Freien und Gleichen) einigen. Einer Umfrage des Forschungsinstituts Ixe zufolge ist der bisherige Ministerpräsident der Politiker mit den höchsten Vertrauenswerten. Wenn er sein drittes Kabinett seit 2018 gründen will, braucht er jedoch mehr Stimmen – vor allem im Senat. Die Italia Viva hatte dort immer die Mehrheit mit ihren 18 Stimmen gesichert.
Aus deren Reihen wurden Rufe laut, dass es für das Amt des Ministerpräsidenten «nicht nur Giuseppe Conte gibt». Auch Außenminister Luigi Di Maio und der Präsident der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, wurden ins Spiel gebracht. Im Gespräch ist auch eine sogenannte Expertenregierung unter dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Diskutiert wurde auch ein Bündnis mit der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Er müsste dann mit dem Mitte-Rechts-Block der Opposition brechen, was viele für unwahrscheinlich halten.
Die rechten Parteien wünschen sich ohnehin vorgezogene Wahlen, allen voran Lega-Chef Matteo Salvini und die Anführerin der Fratelli d’Italia, Giorgia Meloni. Sie rechnen sich Chancen auf eine Mehrheit aus. Der Ixe-Umfrage kann die Lega mit 23,2 Prozent der Stimmen rechnen, gefolgt von Sozialdemokraten (20,6) und Fratelli d’Italia (15,8). Renzis Partei hingegen liegt mit 2,1 Prozent im Umfragetief.
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