Von Amal al-Yarisi und Simon Kremer, dpa
2,2 Millionen Kinder hungern
Sanaa (dpa) – Die Haut hängt faltig an den dünnen Ärmchen und am Hals wie bei einem Greis. Am Brustkorb spannt sich die dünne Haut über die Rippen des zweijährigen Mohammed. Wegen Unterernährung liegt er in einem Krankenhaus im Jemen.
«Es ist ein immenser Schmerz, wenn ich meine Kinder so sehe», sagt seine Mutter, Umm Mohamed. «Das einzige wofür ich noch bete ist, dass ich Brot finde, um ihren Hunger zu stillen.»
Sechs Kinder hat die 40-jährige Hausfrau. Vor ein paar Monaten hat sie Mohammed ins Krankenhaus in der westlichen jemenitischen Provinz Hudaida gebracht, weil sie zuhause nicht mehr für ihn sorgen konnte. Die Mutter ist auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen, die sie ab und an bekommt – aber nicht regelmäßig.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) schätzt, dass rund 31 Prozent der Kinder unter fünf Jahren im Jemen an Unterernährung leiden. Nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef sind es 2,2 Millionen Kinder. Erst kürzlich appellierte die zuständige Unicef-Verantwortliche für den Jemen, Meritxel Relano, an die Weltgemeinschaft, den Kindern zu helfen. Die Unterernährung habe einen Höhepunkt erreicht, sagte sie. Der Gesundheitszustand der Kinder sei noch nie so schlecht gewesen.
«Wir hatten ein gutes Leben», sagt Umm Mohammed, «mein Mann arbeitete als Fischer. Aber der Krieg hat alles zerstört.» Wegen der Kämpfe und der Luftangriffe der saudischen Koalition sei es zu gefährlich zu fischen. Das Einkommen fiel weg. «Denn die Luftangriffe unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.»
Mit ihrer Familie lebt Umm Mohammed in der Provinz Hudaida im Westen des Jemen. Die Region wird ebenso wie große Teile des Nordens von den schiitischen Huthi-Rebellen kontrolliert. Hudaida gehört zu den ärmsten Regionen des ohnehin schon bitterarmen Jemen. Viele Menschen arbeiteten als Fischer oder Bauern. Aber Kämpfe und Belagerung machen das Leben zu einem täglichen Kampf auch für die Zivilisten.
Die Familie lebe häufig nur von trockenem Brot und Wasser, erzählt Umm Mohammed. Hilfslieferungen mit Milch, Reis oder Öl erreichten sie nur selten. «Wann hört der Krieg endlich auf?», fragt die Frau verzweifelt. «Er hat uns nur Zerstörung und Hunger gebracht.»
Seit März 2015 ist der Kampf noch einmal intensiver geworden. Die Huthis hatten bereits die Hauptstadt Sanaa eingenommen und den Präsidenten ins Exil getrieben. Als die Rebellen auch auf die Hafenstadt Aden im Süden vorrückten, reagierte Saudi-Arabien und fliegt seitdem mit weiteren sunnitischen Ländern regelmäßig Luftangriffe im Jemen. Die sunnitische Allianz fürchtet auf der arabischen Halbinsel einen zu großen Einfluss des schiitischen Irans, dem sie die Unterstützung der Rebellen vorwirft.
In dem Krankenhaus in Hudaida liegen neben dem zweijährigen Mohammed noch dutzende weitere Kinder, die wegen Unterernährung behandelt werden. «Das hat auch mit der Arbeitslosigkeit hier in der Region zu tun», sagt der Leiter der Kinderabteilung im Krankenhaus, Monadschi Dschebril. Statt die Kinder in der städtischen Klinik zu behandeln, bräuchte es spezielle Zentren in allen Städten und vor allem auch mobile Kliniken, um ländliche Regionen zu erreichen, sagt er.
Rund 100 Kinder behandele er in der Klinik. Jeden Monat. Einige Kinder bleiben zwei Wochen, andere benötigten Monate, um wieder einigermaßen gesund zu werden. Denn mit der Unterernährung gingen häufig andere Krankheiten einher: Durchfall etwa, Mangelerscheinungen oder Atemwegserkrankungen. Nach Schätzungen von Unicef stirbt im Jemen alle zehn Minuten ein Kind an den Folgen dieser Krankheiten.
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