Ein Gesetzentwurf der türkischen Regierung, der in Einzelfällen Straffreiheit nach sexueller Gewalt gegen Minderjährige vorsieht, hat in der Türkei zu Protesten geführt. In einer Online-Petition wurden mehr als 730.000 Unterschriften gegen das Gesetz gesammelt, in Istanbul gingen rund 3000 Demonstranten auf die Straße.
Das türkische Parlament hatte am Donnerstagabend in erster Lesung den Entwurf gebilligt, wonach die Verurteilung wegen sexueller Übergriffe gegen Minderjährige aufgehoben werden kann, wenn der Täter sein Opfer heiratet. Die Bedingung lautet, dass die Tat ohne „Gewalt, Drohung oder jegliche andere Form von Zwang“ erfolgt sein muss.
Damit das Gesetz in Kraft treten kann, müssen die Abgeordneten der Vorlage am Dienstag noch in zweiter Lesung zustimmen. Das geplante Gesetz soll einmalig rückwirkend gelten.
Auch die Vereinten Nationen äußerten sich besorgt über das Gesetzesvorhaben. „Diese schändlichen Formen der Gewalt gegen Kinder sind Verbrechen, die als solche und in jedem Fall bestraft werden sollten“, erklärte der Sprecher des Uno-Kinderhilfswerks Unicef, Christophe Boulierac, in Genf.
Uno kritisiert Gesetz als „eine Art Amnestie“
Der Gesetzentwurf bedeute „eine Art Amnestie“ für jene, die sich des Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht hätten, fügte er hinzu. Die Interessen des Kindes müssten aber Vorrang haben.
Justizminister Bekir Bozdag verteidigte den Entwurf am Samstag. Das Gesetz wolle rechtliche Probleme bei Kinderehen lösen und sei keine Amnestie für Vergewaltiger.
Der Opposition warf er „absichtliche Verdrehung“ der Tatsachen vor. Bei den Tätern handele es sich nicht um Vergewaltiger, und bei dem Gesetz gehe es vielmehr um den „Schutz von Kindern“.
Ehen mit Minderjährigen seien leider eine „Realität“, sagte Bozdag. Wenn daraus ein Kind hervorgehe, informiere der Arzt den Staatsanwalt, der Mann lande im Gefängnis und seine Familie gerate in Schwierigkeiten. Derzeit gebe es etwa 3000 solche Fälle.
Das Mindestalter für legales Heiraten liegt in der Türkei bei 17 Jahren – mit Zustimmung der Eltern. Besonders im Osten des Landes wird dieses Alter bei Mädchen noch immer häufig unterschritten. In einigen besonderen Ausnahmefällen dürfen Mädchen mit richterlicher Genehmigung auch mit 16 Jahren heiraten.
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