Ausgerechnet am ersten Weihnachtstag hätten sich die Chefdiplomaten von 14 Ländern wohl Schöneres vorstellen können als eine Strafpredigt in Israels Außenministerium.

Einer nach dem anderen kam zu einem «klärenden Gespräch» in das sandsteinfarbene Gebäude in Jerusalem, das von außen einer modernen Festung gleicht. Eine diplomatische Standpauke musste auch US-Botschafter Dan Shapiro über sich ergehen lassen, den Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sogar persönlich einbestellte.

Netanjahu ist empört über eine Resolution des Weltsicherheitsrates gegen Israels Siedlungspolitik. Er reagierte mit einem wütenden Rundumschlag gegen alle beteiligten Staaten – selbst gegen den wichtigsten Verbündeten, die USA. «Freunde zerren Freunde nicht vor den Sicherheitsrat», sagte er seinen Ministern.

Denn weniger als einen Monat vor dem Ende seiner Amtszeit hatte US-Präsident Barack Obama noch für eine Überraschung gesorgt. Im UN-Sicherheitsrat verzichteten die USA am Freitag in einer Abstimmung zu den israelischen Siedlungen im besetzten palästinensischen Westjordanland und in Ost-Jerusalem auf ihr Veto-Recht. Die Resolution fordert Israel auf, dort alle Bauaktivitäten zu stoppen.

Die Resolution enthält keine Androhung von Strafmaßnahmen, auch die Forderungen sind nicht neu. Sie bekräftigten seit Jahrzehnten bekannte Positionen der internationalen Gemeinschaft. Aber auch wenn sie für Israel nicht bindend ist, ist die Resolution diplomatisch ein Desaster. Israel befürchtet unter anderem, die Resolution könnte den Weg bereiten für Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof, weil Siedlungen als Kriegsverbrechen eingestuft werden könnten.

Die Regierung in Jerusalem stellt sich jetzt auch auf weiteren Ärger während der letzten Amtstage von Obama ein. US-Außenminister John Kerry will diese Woche in einer Grundsatzrede den Rahmen für eine Friedensregelung in Nahost vorgeben. Am 15. Januar ist außerdem nach Medienberichten eine internationale Konferenz in Paris geplant, die neue Impulse für eine friedliche Lösung in Nahost geben soll.

Obama schafft in letzter Minute noch Fakten und legt seinem Nachfolger Donald Trump damit Steine in den Weg – von wegen «lahme Ente» auf den letzten Metern. Nicht nur Israel steht vor der bizarren Situation, es de facto mit zwei US-Präsidenten zu tun zu haben. Trump ergriff per Twitter Partei für Israel, forderte ein Veto gegen die Resolution, suchte sie angeblich persönlich zu verhindern. Danach kritisierte er die Entscheidung scharf. Und kündigte an, nach seinem Amtsantritt würden sich die Dinge in Sachen Vereinte Nationen ändern.

Es war das erste Mal seit acht Jahren, dass sich der Sicherheitsrat zu einer Erklärung in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt durchrangt. Seit Israel im Sechstagekrieg 1967 das Westjordanland erobert und mit dem Siedlungsbau begonnen hat, verurteilt die internationale Staatengemeinschaft diese Bauten.

Zuletzt spitzte sich die Lage jedoch zu, weil Netanjahus rechts-religiöse Regierung sich mehr oder weniger offen von der Zwei-Staaten-Lösung – also einen einen Staat für Israel und einen für die Palästinenser – verabschiedet hat. «Keine andere Regierung hat sich mehr für die Belange der Siedlungen eingesetzt», sagt Netanjahu.

Besonders provokativ wirkten wohl auch Schritte ultra-rechter Minister, die sich für ein Gesetz zur Legalisierung wilder, von der Regierung ncht genehmigter Siedlungen einsetzen, die auf palästinensischem Privatland errichtet wurden.

Der US-Präsident setzte mit dem Veto auch einen wuchtigen Schlusspunkt unter acht angespannte Jahre. Obama und Netanjahu konnten sich nie besonders gut leiden, sie haben daraus kaum einen Hehl gemacht. Doch die persönlichen Angriffe auf Obama, dem Netanjahu vorwarf, hinter den Kulissen alles inszeniert zu haben, seien «etwas in dieser Form nie Dagewesenes», sagte der ehemalige US-Botschafter Dan Kurtzer dem israelischen Armeesender. «Ein Verbündeter sollte nicht so eine Sprache gegen einen anderen Verbündeten verwenden, egal, wie wütend jemand ist.» Zwischen Obama und Netanjahu habe es Streitpunkte gegeben, «ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie sich nicht mögen», sagte Kurtzer.

Eine «Strafkampagne» Netanjahus gegen jene Länder, die für die Resolution gestimmt hatten, kritisierte ein Kommentator der Zeitung «Maariv» am Montag als klares Eigentor. «Israel braucht diese Länder viel mehr, als diese Länder Israel brauchen.»

Nun ruhen Israels Hoffnungen auf Trump. Der hat mit David Friedman einen US-Botschafter ernannt, der ausdrücklich hinter der Siedlungspolitik steht. Außerdem will Trump die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen – ein Affront in den Augen der Palästinenser und vieler arabischer Staaten.

Doch ob Trump wirklich so biegsam sein wird, wie Netanjahu sich das wünscht, steht noch in den Sternen. «Es hat mich ein bisschen amüsiert, über die große Freude zu lesen, mit denen viele (in Israel) auf Trumps Wahlsieg reagiert haben», sagte Kurtzer, der an der US-Elite-Universität Princeton unterrichtet. «Tatsache ist doch, dass niemand weiß, was er denkt und wie seine Politik aussehen wird.»

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