Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rechnet damit, dass die Zahl der aus dem Sudan evakuierten EU-Bürger und -Bürgerinnen bis Ende dieses Montags auf mehr als 1.200 steigen wird. Das sagte der Spanier nach einem EU-Außenministertreffen in Luxemburg. Möglicherweise könnten es sogar bis zu 1.500 Menschen werden.
An diesem Montag habe es bereits elf Evakuierungsflüge gegeben, weitere 20 Flüge seien bis Mitternacht geplant, sagte der Diplomat am Abend. „Es war eine unglaubliche Mobilisierung der Mitgliedstaaten“, sagte Borrell. „Ehrlich gesagt hat es meine höchsten Erwartungen übertroffen.“ Die EU-Staaten und andere Länder hatten wegen der eskalierten Gewalt in dem afrikanischen Land in den vergangenen Tagen mehrere Evakuierungsmissionen organisiert.
Vor eineinhalb Wochen war der Machtkonflikt im Sudan eskaliert, seitdem gibt es vor allem in der Hauptstadt Khartum Kämpfe. Dabei stehen sich die Anhänger von De-Facto-Präsident Abdel Fattah Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, der die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) anführt, gegenüber. Sie hatten das Land nach zwei Militärcoups in den Jahren 2019 und 2021 gemeinsam geführt.
Auslöser der Kämpfe ist die gescheiterte Eingliederung der RSF in die reguläre Armee, gegen die sich der Hemedti genannte Hamdan Daglo gewehrt hatte. Außerdem kontrollieren beide Seiten große Bereiche der Rohstoffe und der Wirtschaft im Land, was von vielen als größtes Hindernis auf dem Weg zu einer echten Demokratisierung gesehen wird. Hemedti gilt als Pate des Goldschmuggels und hat zudem enorme Profite mit der Entsendung von Söldnern gemacht – unter anderem in den Jemen und nach Libyen.
1.000 Angehörige der Bundeswehr im Einsatz
An dem Evakuierungseinsatz sind mehr als 1.000 Angehörige der Bundeswehr beteiligt. Zuvor hieß es, dass für die Dauer der Einsätze mit den sudanesischen Konfliktparteien eine Waffenruhe vereinbart worden sein soll. Bereits am Montagmorgen war der erste Evakuierungsflug der Bundeswehr mit 101 Menschen an Bord in Berlin gelandet.
Von Sonntag- bis Montagabend flog die Luftwaffe nach Regierungsangaben insgesamt rund 400 Menschen aus. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am späten Montagnachmittag, bislang sei der „außerordentlich komplexe“ Einsatz „ohne jede Panne, ohne jedes Problem“ verlaufen. „Niemand ist bisher von unseren Leuten zu Schaden gekommen.“
Laut dem Außenministerium hatte die Mission neben Deutschen auch Menschen aus Belgien, Großbritannien, Jordanien, Österreich und einigen afrikanischen Staaten befördert.
Noch immer harren Deutsche im Sudan aus
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dankte der Bundeswehr für den „gefährlichen“ Evakuierungseinsatz. Diese sei „wichtig, um Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und anderer Länder in Sicherheit zu bringen“, sagte Scholz bei einem Besuch im belgischen Ostende.
Die Bundesregierung bereitete mögliche weitere Evakuierungsflüge für die kommenden Tage vor. Da am Montag eine dreitägige Feuerpause im Sudan enden sollte, waren diese Planungen jedoch unsicher. „Noch befinden sich weitere Deutsche vor Ort“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock. Ob die Sicherheitslage in den nächsten Tagen weitere Evakuierungen erlauben werde, sei „mehr als ungewiss“.
Zur Situation der von der Bundesregierung im Sudan beschäftigten einheimischen Ortskräfte sagte Baerbock, deren Evakuierung sei nicht geplant. Die örtlichen Mitarbeiter im Sudan seien im Unterschied zu Afghanistan „nicht einer speziellen Verfolgung ausgesetzt“, was die rechtliche Voraussetzung für ihre Evakuierung wäre. Auch hätten diese Beschäftigten „nicht den Wunsch geäußert, auszureisen“, sagte die Außenministerin weiter. Die Bundesregierung unterstütze die Ortskräfte „bestmöglich“, indem sie ihnen beispielsweise ihre Gehälter weiterzahle.
Ein Bundestagsmandat für den Evakuierungseinsatz will sich die Bundesregierung nachträglich einholen. In der entsprechenden Vorlage wird der Einsatz nach AFP-Informationen bis Ende Mai befristet. Laut Baerbock wird sich der Bundestag voraussichtlich diesen Mittwoch mit dem Sudan-Mandat befassen. Es wird breite Unterstützung erwartet.
400 Tote und 3.700 Verletzte
Bei den seit anderthalb Wochen anhaltenden Gefechten im Sudan zwischen der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz wurden nach UN-Angaben bereits mehr als 400 Menschen getötet und über 3.700 weitere verletzt. Auch am Montag gingen trotz der vereinbarten Feuerpause die Kämpfe weiter.
UN-Generalsekretär António Guterres warnte, dass die Gewalt im Sudan „die gesamte Region und darüber hinaus erfassen“ könnte. „Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um den Sudan vom Rand des Abgrunds zu ziehen“, forderte Guterres in einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, der Deutsche Volker Perthes, wird nach UN-Angaben im Land bleiben, um sich für eine Beilegung des Konflikts einzusetzen.
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