Kommentar

Es soll endlich aufhören. Die Bilder, die Nachrichten sind unerträglich. In diesen Stunden nimmt die syrische Armee den seit 2012 von Rebellen gehaltenen Ostteil der Großstadt Aleppo ein, sie lässt Bomben regnen, Soldaten ziehen durch die Straßen und töten Zivilisten, allein in den vergangenen Tagen mindestens 82, darunter elf Frauen und 13 Kinder. Gestorben sind schon viele, und es werden noch weitere Menschen sterben, denn es gibt keinen Ausweg, keinen Korridor, keine Hilfe.

Die Bilder, die Nachrichten, die Hilferufe per Twitter sind unerträglich. Aber keine Sorge, bald ist es vorbei. Wenn die syrische Armee auch den letzten Winkel der Stadt eingenommen hat, wenn der letzte Widerstand gebrochen und die letzte Verbindung zur Außenwelt gekappt ist – dann ist endlich Ruhe, und wir können uns wieder unbehelligt unseren Weihnachtseinkäufen widmen.

Sieg der kalten Brutalität

Ja, stimmt schon, die Situation ist „herzzerreißend“, wirklich schrecklich, was da in Aleppo passiert, da hat sie Recht, die Bundeskanzlerin, und klar, sie bemüht sich, alles zu tun, um das syrische Regime und dessen Unterstützer, Russland und Iran, davon zu überzeugen, dass humanitäre Hilfe zu „den Menschen“ gelangen muss. Aber warum sollten die Russen und Iraner, warum sollte Assad sich, so kurz davor, auch den letzten „Terroristen“ auszuschalten, plötzlich überzeugen lassen? Die USA, die einzige Kraft, die vielleicht die Macht gehabt hätte, entscheidend gegen das Assad-Regime vorzugehen oder wenigstens Russland davon abzuhalten, dieses zum Sieg zu bomben, haben sich entschieden, nichts zu tun. Gedeckt von seinen Moskauer Partnern musste Assad nichts befürchten, keine Resolution des Sicherheitsrates, keine Konsequenzen nach der Überschreitung auch der letzten roten Linie. Er wird weitermachen, bis dieser Krieg endgültig gewonnen ist: Macht oder Tod.

Der Fall Ost-Aleppos ist ein Sieg der Brutalität. Da mag der Sprecher des Uno-Hochkommissars für Menschenrechte, Rupert Colville, noch so verzweifelt einen fairen Prozess und menschenwürdige Behandlung für die unterlegenen Rebellen einfordern – seine Worte verhallen wirkungslos. Viel wahrscheinlicher wird eintreffen, was Colville befürchtet: Massenerschießungen und Kriegsverbrechen.

Aleppo ist über 3000 Kilometer entfernt von Berlin, und seit den syrischen Flüchtlingen von der Bundesregierung mit Hilfe der Türkei und unserer osteuropäischen Freunde der Weg nach Deutschland effektiv versperrt worden ist, müssen wir nicht mehr befürchten, dass eine nennenswerte Zahl von Neuankömmlingen uns die Plätze in der S-Bahn streitig macht und dabei auch noch Arabisch redet. Bald wird es still sein, keine neuen Schreckensnachrichten mehr aus Syrien, und dann können wir wieder so tun, als wüssten wir von nichts, so tun, als sei unsere einzige Sorge, dass Heiligabend dieses Jahr auf einen Samstag fällt, das ist nämlich furchtbar ungünstig. An all das andere da draußen denken wir einfach nicht mehr. Sonst könnte man doch unmöglich Weihnachten feiern.

Sie erwarten jetzt vielleicht eine Pointe. Es gibt keine.

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