Washington (dpa) – US-Präsident Donald Trump gerät wegen der Begründung für die gezielte Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani in Erklärungsnot.
US-Verteidigungsminister Mark Esper lagen nach eigenen Angaben keine konkreten Beweise dafür vor, dassSoleimaniAngriffe auf vier US-Botschaften geplant habe. Beweise habe Trump nicht präsentiert, vielmehr habe er von einer Möglichkeit gesprochen, sagte Esper dem US-Sender CBS.
Der Pentagon-Chef betonte aber, dass er die Einschätzung des Präsidenten teile. „Meine Erwartung war, dass sie es auf unsere Botschaften abgesehen haben“, sagte Esper. „Wir hatten Informationen, dass es innerhalb weniger Tage einen Angriff geben würde, der ein breites Ausmaß haben würde, mit anderen Worten: mehr als ein Land.“
Auf die Frage nach einemBeweis für die von Trump angeführten angeblichen Pläne zu Angriffen auf US-Botschaftenantwortete Esper aber: „Ich habe in Bezug auf vier Botschaften keinen gesehen.“ Mit der Begründung, dass eine Bedrohung für Amerikaner unmittelbar bevorstehe, wäre die gezielte Tötung Soleimanis aus US-Sicht ein legitimer Anti-Terror-Einsatz gewesen.
Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, Adam Schiff, der über den Einsatz von der US-Regierung unterrichtet wurde, kritisierte Espers Versuch, Trumps Begründung in Schutz zu nehmen. „Nun sagt Esper, es waren keine Geheimdienstinformationen, sondern nur Trumps persönliche Überzeugung. Das ist keine Grundlage, um uns an den Rand eines Krieges zu führen“, twitterte Schiff.
Die US-Demokraten hatten wiederholt Zweifel an Trumps Begründung angemeldet und kritisiert, dass der Kongress vorab nicht konsultiert worden sei. Trump hatte dem Sender Fox News am Freitagabend gesagt, dass „wahrscheinlich“ die Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad angegriffen werden sollte. Dann ergänzte er: „Ich kann verraten, dass ich glaube, dass es wahrscheinlich vier Botschaften gewesen wären.“
Im Iran weiteten sich am Wochenende die regierungskritischen Proteste nach dem Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine mit 176 Toten durch Teheran weiter aus. Bis zu 3000 Menschen demonstrierten am Sonntag laut der Nachrichtenagentur ILNA auf dem Asadi-Platz in der Hauptstadt und kritisierten auch die Vertuschung von Fakten durch die iranische Führung.
Es gab dem Bericht zufolge Forderungen nach dem Rücktritt aller beteiligten Offiziellen. Polizei und Sicherheitskräfte versuchten laut ILNA, die Proteste zu beenden. Trump stellt sich via Twitter demonstrativ hinter die Demonstranten – zum Ärger Teherans.
Schon kurz nach dem versehentlichen Abschuss der Linienmaschine am Mittwoch hatten Hunderte Menschen, hauptsächlich Studenten, gegen die Führung der Islamischen Republik protestiert. Zu diesem Zeitpunkt hielten die iranischen Behörden noch an ihrer Darstellung fest, ein technischer Defekt habe das Flugzeug abstürzen lassen. Am Samstag räumte das Militär dann den irrtümlichen Abschuss der Maschine ein. Die gesamte iranische Führung drückte ihr Bedauern über den Vorfall aus.
Der Abschuss der Maschine fiel zeitlich mit der Verschärfung des Konflikts zwischen den USA und dem Iran zusammen. Die Lage war nach der Tötung Soleimanis eskaliert. Nach einem darauf folgenden Vergeltungsangriff des Irans auf von den USA genutzte Militärstützpunkte im Irak wuchs die Furcht vor einer unkontrollierbaren Ausweitung des Konflikts. Zuletzt kündigten beide Länder an, ihreSpannungen auf politischer Ebenelösen zu wollen.
Trump warnte die iranische Führung davor, gewaltsam gegen protestierende Regierungskritiker vorzugehen. „Töten Sie nicht Ihre Demonstranten“, schrieb er am Sonntag in Großbuchstaben auf Twitter. „Tausende sind von Ihnen bereits getötet oder inhaftiert worden.“ Die USA und die ganze Welt würden zuschauen, warnte Trump. Später wiederholte er die Twitter-Nachricht auf Persisch. Bereits am Samstag hatte Trump den Demonstranten im Iran in Twitter-Nachrichten auf Englisch und Persisch die Unterstützung der USA zugesichert.
Der Iran bezeichnete Trumps Einlassungen via Twitter als absurd. „Stehen Sie an der Seite der Iraner oder gegen sie, wenn Sie ihren Nationalhelden (Soleimani) in einer Terroraktion töten lassen“, fragte Außenamtssprecher Abbas Mussawi auf Twitter. Außerdem habe Trump kein Recht, auf Persisch zu twittern, nachdem er jahrelang das iranische Volk mit Drohungen und Sanktionen terrorisiert habe.
Am Sonntag twitterte Trump dann, sein Nationaler Sicherheitsberater gehe davon aus, dass die Sanktionen und Proteste den Iran an den Verhandlungstisch zwingen würden. „Tatsächlich könnte es mir egaler nicht sein, ob sie verhandeln. Es wird völlig ihnen überlassen sein, aber: keine Atomwaffen und „tötet eure Demonstranten nicht““, schrieb er.
In einem Abkommen mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland hatte sich der Iran 2015 verpflichtet, sein Atomprogramm so zu gestalten, dass das Land keine Atombomben bauen kann. Im Gegenzug sollten Sanktionen aufgehoben werden. Jedoch stiegen die USA nach der Wahl Trumps aus dem Abkommen aus und verschärften die Sanktionen gegen Teheran sogar.
Auf der von US-Truppen genutzten Luftwaffenbasis Balad im Irak schlugen am Sonntag acht Geschosse ein. Vier irakische Soldaten seien von Katjuscha-Raketen verletzt worden, teilte das Militär der staatlichen Nachrichtenagentur INA zufolge mit. Wer hinter dem Angriff steckt, war zunächst unklar. Der Stützpunkt liegt rund 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad. Zuvor hatte die Polizei in der Provinz Salah al-Din mitgeteilt, es habe sich um neun Mörsergranaten und drei verletzte irakische Soldaten gehandelt. Die Geschütze hätten das Rollfeld sowie den Eingangsbereich getroffen.
US-Außenminister Mike Pompeo zeigte sich „empört über Berichte über einen weiteren Raketenangriff auf eine irakische Luftwaffenbasis“. Er forderte die irakische Regierung auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. „Diese fortgesetzten Verletzungen der Souveränität des Iraks durch Gruppen, die der irakischen Regierung nicht loyal sind, müssen ein Ende haben.“
Das irakische Parlament hatte nach der gezielten Tötung Soleimani den Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Land verlangt. Nicht nur die Bundesregierung will Klarheit haben, ob diese Forderung wirklich in die Tat umgesetzt werden soll. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) traf am Montagmorgen in Amman ein, wo er mit seinem jordanischen Kollegen Aiman Safadi sprechen will. Am Sonntagabend hatte Maas in Paris ein Krisengespräch über das vom Scheitern bedrohte Atomabkommen mit dem Iran geführt.
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