Jetzt ist das Gejammer groß. Während die Wahlprognosen am Vorabend noch Hillary Clinton einen knappen Sieg beim Rennen um die US-Präsidentschaft voraussagten, ist nun klar: nix Hillary. Keine Frau im Weißen Haus, keine Demokratin, keine Kontinuität.
Donald Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten werden. Ja, er, der pöbelnde Amateurpolitiker, der Widerspruch schlecht erträgt, schnell ausrastet, obszöne Bemerkungen über Frauen macht, illegale Einwanderer massenhaft aus dem Land werfen will und von dem keiner so recht weiß, ob er wirklich so reich ist, wie er behauptet.
Wären Clinton und Trump in Deutschland gegeneinander angetreten, die Wahl wäre eindeutig ausgegangen: Clinton hätte haushoch gewonnen. Die Deutschen sind Team Hillary.
Ja, warum eigentlich? Weil sie eine Frau ist? Weil ihr Ehemann Bill Clinton, der 42. Präsident der USA, uns noch in so guter Erinnerung ist? Weil Hillary Clinton so schön mit den Obamas harmoniert und etwas Glanz dieses glamourösen Präsidentenpaares auch auf sie abfärbt? Weil man weiß, für welche Politik sie steht? Wohl auch. Aber vor allem, weil hier die große Mehrheit sagt: Alles ist besser als der größenwahnsinnige Milliardär.
Selbstverständlich auf Seiten von Hillary Clinton – warum eigentlich?
In den vergangenen Wochen habe ich mir alle drei US-Präsidentschaftsdebatten angesehen und sämtliche Dokumentationen zu Donald Trump und Hillary Clinton, die auf irgendwelchen deutschen Bildungskanälen liefen. Und während ich anfangs – typisch deutsch, wie ich bin – selbstverständlich auf Seiten Clintons war, war das am Ende nicht mehr der Fall. Ich hätte nicht mehr gewusst, wen ich hätte wählen sollen.
Beide Kandidaten haben einen extrem hohen Gruselfaktor. Dass ihnen der gesamte Wahlkampf peinlich ist, sagten etliche Amerikaner, die für besagte Dokus interviewt wurden. Tenor dieser Sendungen war häufig: „Amerika – ein gespaltenes Land“.
Ich würde jetzt mal unterstellen, dass viele US-Bürger gar nicht restlos begeistert sind von Trump, dass sie abfällige Bemerkungen über Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen abstoßend finden und dass etliche Wähler sogar große Teile seiner angekündigten Wirtschaftspolitik unausgegoren finden, wenn man mal auf der sachlichen Ebene argumentieren will.
Trotzdem – Hillary Clinton wurde von diesem Phänomen namens Trump weggefegt.
Und das liegt einzig und allein – an Hillary.
Wo war die Begeisterung?
Zunächst einmal: Sie reißt niemanden vom Hocker. Wer ins Weiße Haus will, muss die Menschen elektrisieren, muss Aufbruchstimmung verbreiten. Clintons gesamter Wahlkampf war ein einziger Krampf. Kein „Yes, we can“ und auch kein „Let’s make America great again“. Stattdessen der nichtssagende Slogan: „Hillary for America“. Ständig musste sie sich wegen ihrer E-Mail-Affäre rechtfertigen. Und andauernd machten Gerüchte über ihre Gesundheit die Runde. Dass viele Menschen ihr die Lungenentzündung nicht glaubten – kein Wunder.
Clinton glaubt man generell nicht.
Seit Jahrzehnten ist die inzwischen 69-Jährige fester Bestandteil des Washingtoner Politestablishments – und gilt vielen deshalb als dementsprechend korrumpiert. Als jemand, der gern mal die Fakten verdreht. Eigentlich sollte das keine so große Sache sein. Wer erwartet schon, dass Politiker stets die volle Wahrheit sagen? Doch bei Clinton sticht dieser Charakterzug allzu stark hervor. Trump hat dies geschickt genutzt und im Wahlkampf die korrupte Seite an ihr immer wieder betont. Die „korrupte Hillary“, die teuer bezahlte Reden hält und nur auf persönliche Macht aus ist – diese Hillary ist im Gedächtnis geblieben.
Sogar ein Lächeln kann unsympathisch wirken
Stets hat sie versucht, solche Angriffe wegzulächeln. Aber dabei wirkte ihr Lächeln meist gequält oder überheblich – symphatisch geht anders. Sie wirkt im besten Fall hölzern, im schlechteren arrogant.
Zu spüren war das auch in den TV-Duellen mit Trump. Während er oft aggressiv auftrat, kam sie allzu häufig elitär rüber. Oder so, als nehme sie „Donald“ nicht ernst. Offenbar ziehen die Amerikaner den aggressiven Kandidaten dem überheblichen vor, wie diese Präsidentschaftswahl zeigt.
Ja, sie wäre die erste Frau gewesen, die das Präsidentenamt der Vereinigten Staaten übernimmt. Aber, mit Verlaub, als Frau fühle ich da keine Solidarität. Clinton steht nicht dafür, dass endlich eine Frau US-Präsidentin werden muss – sondern für so ziemlich alles andere: für das alte Establishment, den Washingtoner Filz, die Verquickung von Wirtschaft und Politik, den neuen Kalten Krieg mit Russland.
Vielleicht hätte sie gut daran getan, ihre Rolle als Frau im Wahlkampf stärker zu betonen, nach dem Motto: „Die Zeit ist reif für die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten.“ Aber auch diese Chance ließ sie ungenutzt. Clintons Wahlkampf war zäh, verkrampft, ohne glorreiche Momente und ohne klare politische Botschaft. Dass sie einfach nur nicht Trump war, hat nicht gereicht. Donald Trump kann sich wirklich bei ihr bedanken, denn Hillary Clinton hat es wirklich total versaut.
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