Das Weiße Haus nannte es ein „Heldentreffen“. Vier Stunden verbrachte US-Präsident Donald Trump am Mittwoch in Las Vegas, um nach dem Massenmord vom Wochenende den Tröster der Nation zu geben. Er besuchte Verletzte im Krankenhaus, er traf Einsatzkräfte, er lobte ihren Mut, lobte Amerika – und versicherte, „dass man so etwas nie wieder erleben möchte“.
Auf dem Klinikflur fragte ihn jemand nach Amerikas Waffen-Epidemie. „Darüber“, erwiderte Trump, „werden wir heute nicht reden.“
Womit auch schon alles gesagt wäre. Wer dachte, dass das Massaker von Las Vegas etwas Grundsätzliches ändern würde, hat sich getäuscht. 58 Tote, etwa 500 Verletzte: Auch das, so zeigte Trumps Kurzvisite, reicht nicht, um in der US-Waffendebatte für Bewegung zu sorgen.
US-Präsident: Donald Trump in Las Vegas
Der Besuch konnte ohnehin kaum mehr sein als ein symbolischer Fototermin. Vom Flughafen aus passierte Trumps Kolonne das Mandalay Bay Casino, in dessen 32. Stock sich der Attentäter verschanzt hatte. Im University Medical Center traf Trump Verletzte, Ärzte und Pfleger, nannte sie „die besten Leute“ und schwor: „Wir stehen hundertprozentig hinter euch.“ Ähnlich im Polizeipräsidium, wo er mit Polizisten und Sanitätern in einer Runde saß: „Ihr könnt stolz sein.“
Bei allen Plattitüden wirkte Trump ungewöhnlich ruhig, bedeckt, fast betreten. Kein Zeichen seines üblichen Bravados – aber auch kein Wort über eine Verschärfung der Waffengesetze, Amerikas größtem Tabu. „Wir reden über Waffengesetze, wenn etwas Zeit vergangen ist“, sagte er schon am Dienstag.
Es schockiert, dass auch drei Tage nach dem Anschlag in Las Vegas kein couragiertes Zeichen ausgeht vom Weißen Haus – dort, wo doch eigentlich der Moralkompass der Nation sitzen sollte. Doch auch Trumps Vorgänger Barack Obama, in dessen Amtszeit sich 18 Massaker ereignet hatten, bewirkte mit seiner Eloquenz nichts. Trump, der früher mal für Waffenkontrollen war, ist nun dezidiert dagegen – seit die US-Waffenlobby NRA seinen Wahlkampf mit mehr als 30 Millionen Dollar mitfinanzierte. Klar, dass er nicht darüber reden will.
Einige Republikaner offen für „bump stocks“-Verbot
Die Republikaner in Washington wollen erst recht nicht darüber reden. Mitch McConnell, der Mehrheitsführer im Senat, wiegelte jegliche Waffendebatte ab: „Dies ist die Zeit für nationale Trauer.“ Denn die NRA ist die machtvollste Lobbygruppe: Jeder Kandidat erhält von ihr nicht nur Geld, sondern eine „Note“, die im Wahlkreis über das politische Überleben entscheiden kann.
Doch die Demokraten erzwangen eine Diskussion: Am Mittwoch versammelten sie sich zu einer Mahnwache auf den Kapitolstufen. Nancy Pelosi, die Fraktionschefin im Repräsentantenhaus, forderte einen Sonderausschuss zu Waffengewalt (mehr zu den Amerikanern und ihren Waffen lesen und sehen Sie hier). Senatskollegin Dianne Feinstein berichtete, ihre Tochter Katherine habe auch zum „Route 91 Harvest“-Musikfestival gewollt, dem Ziel des Attentats, habe ihre Pläne aber im letzten Moment geändert: „Es kann jeden von uns treffen.“
Trotzdem klingen selbst die Demokraten fast resigniert. Nach der Schießerei von Orlando, bei der voriges Jahr 49 Menschen umkamen, veranstalteten sie einen Sitzstreik im Plenum. Diesmal begnügen sie sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner – einem Verbot von „bump stocks“. Das sind Apparaturen, wie sie auch der Attentäter von Las Vegas benutzt hatte: Mit ihnen lassen sich legale halbautomatische Gewehre in illegale Quasi-Maschinengewehre umfunktionieren.
Es ist zwar nur ein bescheidener Schritt, aber immerhin zeigten sich führende Republikaner nicht abgeneigt. Senator John Corbyn nannte „bump stocks“ eine „legitime Frage“. Andere republikanische Top-Senatoren schlossen sich dem an, darunter Lindsey Graham, Orrin Hatch und Marco Rubio.
Video: Polizei veröffentlicht Bodycam-Aufnahmen
Doch zu mehr wird es kaum kommen. Zu viele US-Wähler, so offenbarten frühere Attentate, sind abgestumpft und haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Von weißen Landsleuten begangene Massaker werden schnell als Einzeltaten vergessen, während islamistisch motivierte Anschläge zu monatelangen Polit-Debatten um Terror, Grenzschutz und Einreiseverbote führen.
Außerdem sind nächstes Jahr Kongresswahlen. Viele Politiker beider Parteien zittern um ihre Sitze – erst recht, wenn die NRA wieder ihre Macht und ihre Millionen spielen lässt.
Am Abend postete Trump ein Video von seinem Krankenhausbesuch auf Twitter. Untermalt ist die Collage, bei der der Präsident fast in jedem Bild im Mittelpunkt steht, von einem der ikonischsten Countrysongs: „I’m proud to be an American, where at least I know I’m free.“
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