Von Andrej Sokolow, dpa
IT-Riesen kontra «Rostgürtel»
San Francisco/Lissabon (dpa) – Im Bangen der Wahlnacht sprach der Start-up-Investor Shervin Pishevar vielen im Silicon Valley aus dem Herzen, als er sich für einen Austritt Kaliforniens aus dem Verbund der Vereinigten Staaten einsetzte.
«Wenn Trump gewinnt, werde ich eine Kampagne ankündigen und finanzieren, damit Kalifornien zu einer eigenständigen Nation wird», schrieb Pishevar, der unter anderem den Fahrdienst Uber finanzierte, bei Twitter – und erntete Applaus.
Zwischen dem Silicon Valley und dem «Rostgürtel» Amerikas, aus dem die entscheidenden Stimmen für Trump kamen, klafft schon lange ein Graben, der nur tiefer wurde. Auf der einen Seite das Zuhause globaler Technologieriesen wie Google, Apple und Facebook und eine boomende Internet-Branche, die viele Millionäre produzierte. Auf der anderen die vom wirtschaftlichen Niedergang gebeutelte alte Industrie mit Verlierern der Digitalisierung, die Trump geschickt ansprach.
Im Wahlkampf war der Ton zwischen Trump und den Kapitänen der Tech-Industrie von Attacken stachelig. Amazon-Chef Jeff Bezos, dem auch die Weltraumfirma Blue Origin gehört, ließ durchblicken, dass er den Kandidaten gern ins All schießen würde. Trump giftete zurück, Bezos habe die «Washington Post» nur gekauft, um Steuern zu sparen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg warnte bei einem Auftritt in Berlin vor «ängstlichen Stimmen», die Mauern bauen und alle, die anders seien, ausgrenzen wollten. Inmitten des Wahlkampfs wurde das sofort als Breitseite gegen Trump mit seiner Idee einer Mauer an der Grenze zu Mexiko interpretiert.
Das Silicon Valley wurde groß gemacht von Ingenieuren, die in Holzhäusern wohnten. Es ist traditionell eher liberal und ein Treiber bei Veränderungen wie der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen. Peter Thiel, der milliardenschwere Mitgründer des Bezahldienstes Paypal, musste als einsamer Unterstützer Trumps in seinen Kreisen viel Kritik und auch Spott einstecken. Und der junge Mitgründer des Spezialisten für virtuelle Realität Oculus, Palmer Luckey, musste sich dafür entschuldigen, dass er Geld für eine geplante Kampagne mit Schmähplakaten gegen Trumps Rivalin Hillary Clinton gab.
Zugleich müssen sich gerade Facebook und Twitter vorhalten lassen, mit ihrer «Filterblase», bei der die Algorithmen den Nutzern Nachrichten auftischen, die zu ihren Ansichten passen, den Wahlsieg von Trump erst möglich gemacht zu haben. Außerdem habe Facebook zu wenig gegen die Ausbreitung eindeutig falscher Nachrichten unternommen. «Solange etwas in sozialen Medien ist, fangen die Menschen an, daran zu glauben», betonte Präsident Barack Obama. Bei der Internet-Konferenz «Web Summit» in Lissabon fasste er Internet-Investor Dave McClure die Kritik in harschere Worte. «Wir als Tech-Branche stellen die Kommunikations-Plattformen für den Rest dieses verschissenen Landes – und wir lassen zu, dass solche Scheiße passiert», brüllte er zu Applaus in den Saal, bevor er Trump ein «Arschloch» nannte.
Es geht aber nicht nur um Überzeugungen, sondern auch um Geld. Setzt Trump seine Wahlkampf-Ankündigungen um, könnte das direkt ins Geschäft der Internet-Branche schneiden. Seit Jahrzehnten ist für die Unternehmen der Zufluss qualifizierter Fachleute aus dem Ausland lebenswichtig. Schon bisher gab es für zeitweise Beschäftigung Quoten, die rapide ausgeschöpft wurden. Was passiert, wenn Trump bei der Zuwanderungspolitik die Schrauben anzieht? Und eine Milliardenwette wie Elon Musks Elektroauto-Hersteller Tesla hängt auch davon ab, wie umweltfreundlich die Politik der nächsten US-Regierung sein wird. Trump sagt, er glaube nicht an den Klimawandel. Welche Entscheidungen sind von ihm im Weißen Haus wohl zu erwarten?
Konzernchefs wie Tim Cook bei Apple versuchen erst einmal, nach dem polarisierenden Wahlkampf Ruhe in die Reihen der Mitarbeiter zu bringen. «Lasst uns vorangehen – gemeinsam!», schrieb Cook in einer internen E-Mail. Der Manager, der sich als erster US-Unternehmenschef dieser Liga zu seiner Homosexualität bekannte und ein Foto des afroamerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King, Jr. in seinem Büro stehen hat, rief die Mitarbeiter auf, weiterhin eine Familie zu sein – «egal, wie sie aussehen, wo sie herkommen, welchen Glauben sie haben oder wen sie lieben». Und Ebay-Chef Devin Wenig betonte, dass die Handelsplattform von einem Einwanderer gegründet wurde, Pierre Omidyar.
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