Millionen Amerikaner hatten es sich nicht in ihren wildesten Träumen vorstellen können. Schauplatz: das Oval Office, Machtzentrum der Welt. Der Schreibtisch John F. Kennedys, der Teppich mit dem Dienstsiegel, die zwei beigen Ledersessel unter einem Ölporträt George Washingtons. Und in einem dieser Sessel saß: Donald J. Trump.
Barack Obama, Amerikas erster schwarzer Präsident, traf auf Trump, den Wahlsieger und Populisten. Fast 90 Minuten – mehr als eine Stunde länger als geplant – redeten sie miteinander. Hinterher fand man nur nette Worte. Trump lobte den „Ratschlag“ des Präsidenten: „Ich freue mich auf viele, viele weitere Treffen in der Zukunft.“
Doch ihre Körpersprache verriet mehr über ihr Verhältnis. Beide vermieden Augenkontakt, keiner lächelte. Trump legte Obama die Hand auf die Schulter, eine klassische Überlegenheitsgeste. Auf die Frage, ob sein Chef seinen Nachfolger weiterhin für unqualifiziert halte, sagte Obamas Sprecher Josh Earnest: „Die Ansichten des Präsidenten haben sich nicht geändert.“
Der Besuch im Oval Office war für den Reality-Star Trump ein Reality-Check: Denn er erhielt auch sein erstes reales Briefing der Geheimdienste, in dem ihm alle auf der Welt drohenden Gefahren ungeschminkt präsentiert wurden. Es muss ein erschreckender Augenblick gewesen sein – dies ist nun sein Job.
Die „Normalisierung“ Trumps hat begonnen
Mit dem Termin im Weißen Haus begann die „Normalisierung“ Trumps. Viele hatten gehofft, dass die Würde des West Wing die scharfen Kanten des Immobilien-Hais schon schleifen werde. Vielleicht sei Trump ja gar nicht so schlimm wie im Wahlkampf, war ihre Hoffnung.
Doch das dürfte eine Illusion bleiben. Als Trump kurz darauf bei den katzbuckelnden Kongress-Republikanern vorbeischaute, versicherte er ihnen, er könne Obamas Erbe „nicht schnell genug“ vernichten.
Hinter den Kulissen des West Wing herrschte denn auch „Panik“ und „ein Gefühl des Untergangs“, wie das Onlinemagazin „Politico“ berichtete. „Die Weltordnung ist erschüttert“, davon war ein Berater Obamas überzeugt: „Alles, wofür er und sie gearbeitet haben, wird mit der Wurzel ausgerissen.“
Daran ließ Trump keinen Zweifel. Er verbrüderte sich mit den Republikanern im Kongress, von denen ihn viele im Wahlkampf gemieden hatten wie die Pest – allen voran Repräsentantenhaus-Sprecher Paul Ryan. Der war jetzt voll des Lobes, gezähmt durch die gemeinsame Agenda und die Angst um sein Amt. Als Erstes soll Obamas Gesundheitsreform gekippt werden.
Was Trump sonst vorhat, ließ er im Dunkeln. Selbst den Pressetross sperrte er am Donnerstag weitgehend aus – obwohl die Medien seit Wochen antichambriert hatten. Auch sein völliges Verschwinden von der Bildfläche tags zuvor ließ ahnen, was er von Transparenz hält: „Unakzeptabel“, klagte Jeff Mason, der Präsident der White House Correspondents‘ Association.
„Ich bin weiter überzeugt, dass Trump einen fundamental defekten Charakter hat“, schrieb Kolumnist Charles Blow („New York Times“). „Ich respektiere die Präsidentschaft; diesen designierten Präsidenten respektiere ich nicht.“
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