Wenig Zeit? Am Textende gibt’s eine Zusammenfassung.
Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten war ein Paukenschlag. Auf der Suche nach Erklärungsansätzen setzte sich schnell das Bild vom frustrierten, alten, weißen Mann als entscheidende Wählergruppe durch. Analog zum Brexit-Referendum wurde der Sieg der konservativen Alten über die weltoffene Jugend beschrieben.
Doch ist dem wirklich so? Der Versuch einer Antwort anhand von Wählerbefragungen und demographischen Daten.
Wie stark ist Trumps Wahlergebnis bei weißen, älteren Männern?
Die Nachwahlbefragung zeigt klare Mehrheiten für Trump, sowohl in der Altersgruppe der über 45-Jährigen Weißen, als auch bei den über 65-Jährigen.
Eine feinere Gliederung der Befragten in Alter, Ethnie und Geschlecht gleichzeitig liegt nicht vor. Da Trump jedoch bei Männern größere Zustimmung erfahren hat als bei Frauen, kann davon ausgegangen werden, dass seine Zustimmungswerte bei weißen, älteren Männern tendenziell noch höher ausfallen dürften als die hier im Diagramm gezeigten Werte von Männern und Frauen gemeinsam.
Lässt sich mit der Unterstützung allein dieser Gruppe die Wahl gewinnen?
Nein. Männer im Alter von über 45 Jahren sind zwar zweifelsohne eine bedeutende Wählergruppe, machen aber dennoch nur knapp über ein Fünftel der wahlberechtigten Bevölkerung aus.
Die USA sind traditionell ein sehr diverses Land, mit einer entsprechend diversen Wählerschaft. Zudem sind die Minderheiten von demographisch wachsender Bedeutung. Ohne ihre – mindestens teilweise – Unterstützung ist in den USA keine Wahl zu gewinnen.
Bei welchen weiteren Wählergruppen konnte Trump punkten?
Folgt man auch hier den Angaben aus der Nachwahlbefragung, so konnte Donald Trump unter anderem auch bei weißen Frauen und bei Wählern ohne College-Abschluss mehr Stimmen sammeln als Hillary Clinton.
Diese Ergebnisse lassen sich allerdings durchaus unterschiedlich interpretieren. Bislang liegen keine Erkenntnisse zur Höhe der Wahlbeteiligung einzelner Wählergruppen vor. Mögliche Erklärungsansätze, warum es Trump trotz des Skandals um seine sexistischen Äußerungen gelang, die Mehrheit bei weißen Frauen zu erzielen, wären beispielsweise:
- bei hoher Wahlbeteiligung unter Frauen: Trump hat weitaus mehr Frauen aus der Mitte der Gesellschaft erreicht als ihm zugetraut wurde.
- bei niedriger Wahlbeteiligung: Trump ist es sehr gut gelungen, konservative, weiße Frauen zu mobilisieren, während Clinton nicht im erhofften Maß Frauen zur Stimmabgabe motivieren konnte.
Diese und ähnliche Interpretationsansätze lassen sich allerdings erst überprüfen, wenn detailliertere Wählerbefragungen vorliegen.
Ist es zutreffend, Trumps Wähler als frustriert zu bezeichnen?
In zahlreichen Analysen wird die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten in eine Reihe gestellt mit dem Brexit-Referendum und dem Wahlerfolg rechtspopulistischer Parteien in Europa. Ein wesentlicher Faktor für deren Erfolg ist dabei die Mobilisierung von Bevölkerungsgruppen, die der Meinung sind, ihre Interessen würden von den regierenden Parteien nicht ausreichend vertreten, und die Politiker hätten sich vom Willen der Bevölkerung entfernt. Auch in der US-amerikanischen Nachwahlbefragung finden sich viele entsprechende Tendenzen:
Neben der Frustration bzw. Verärgerung über die Regierung und die wirtschaftliche Lage zeigen sich in der Befragung auch Ängste bezüglich terroristischer Bedrohungen und vor Folgen der Immigration.
Hat Clinton strukturschwache Regionen nicht ernst genug genommen?
Hillary Clintons Wahlkampfstrategie und die Planung ihrer Auftritte basierte in starkem Maß auf Analysen von Umfragen und Wählerdaten. Unter Umständen unterlief ihrem Team dabei eine ähnlich fatale Fehleinschätzung wie vielen Demoskopen. Meinungsforscher gewichten die gesammelten Umfrageergebnisse nach eigener Erfahrung und Abschätzung, um möglichst nah an der Zusammensetzung der Wählerschaft zu sein. Tatsächlich scheint die Popularität eines Politikers vom Typ Trump in beinahe allen Modellen systematisch unterschätzt worden zu sein. Eine entsprechende Fehleinschätzung Clintons wäre jedenfalls eine Erklärung dafür, warum sie in den Staaten des Mittleren Westens weniger intensiv Wahlkampf betrieben hat als Trump.
Ist das nun die Mehrheitsmeinung in den USA?
Klar ist, Trump konnte circa 60 Millionen Wählerinnen und Wähler dazu motivieren, ihn zu wählen, war also auch weit über die Gruppe der weißen, älteren Männer hinaus erfolgreich. Dennoch hat die Gleichung auch noch eine entscheidende andere Komponente: Die offensichtlich schwache Mobilisierung Clintons, die in absoluten Stimmen hinter den Ergebnissen Barack Obamas 2008 und 2012 zurückblieb. Und dies trotz einer insgesamt wachsenden Zahl an Wahlberechtigten.
Trump ist deshalb zwar der Wahlsieger, dies bedeutet jedoch nicht, dass alle, die ihn gewählt haben, auch seine im Wahlkampf geäußerten Positionen teilen. Eventuell waren, aus demokratischer Sicht, einfach nur zu viele Wähler nicht überzeugt von Hillary Clinton als Kandidatin.
Zusammengefasst:
Einer der entscheidenden Gründe für Donald Trumps Wahlsieg dürfte dessen Mobilisierung von frustrierten, sich aktuell in der Politik nicht angemessen vertreten fühlenden Wählern sein. Hierzu zählen im besonderen Maß ältere, weiße Männer. Nicht zufällig fiel die Wahlentscheidung in den altindustriellen Staaten des „rust belt“. Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass allein mit der Unterstützung dieser Gruppe die Wahl nicht zu gewinnen war. Dass Trump sich auch in weiteren Wählergruppen gegen Clinton durchsetzen konnte, ist auch als Schwäche der demokratischen Kandidatin zu sehen.
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