SPIEGEL ONLINE: Drei Bundesstaaten erwägen eine Klage gegen Donald Trumps Einreisestopp für Menschen aus sieben muslimischen Ländern. Bürgerrechtler gehen bereits dagegen vor. Welche Aussicht auf Erfolg haben diese Klagen?
Jäger: Trump hat das Dekret am Freitagabend erlassen. Die Folgen sind noch nicht abzusehen. Das Dekret ist ein halbgarer Erlass, wenig durchdacht.
SPIEGEL ONLINE: Was heißt das?
Jäger: Die Sicherheitskräfte an vielen Flughäfen waren überfordert, sie hatten keine klaren Anweisungen und haben unterschiedlich reagiert. Die Klagen, die bisher erfolgreich waren, bezogen sich auf Menschen, die ein Visum hatten und in den USA gelandet sind. Da haben zwei Gerichte entschieden: Das geht so nicht. Diese Menschen kann man nicht einfach zurückschicken.
SPIEGEL ONLINE: Und wie ist es grundsätzlich? Verstößt der Einreisestopp gegen die amerikanische Verfassung?
Jäger: Das kommt auf die Begründung an. Die Trump-Regierung hat das Verbot bislang noch nicht eindeutig formuliert. Es heißt, es gehe darum, terroristische Anschläge in den USA zu verhindern, also ein Sicherheitsargument. Gleichzeitig wird aber gesagt: Christen aus diesen muslimischen Staaten dürfen trotzdem einreisen. Das ist eindeutig ein diskriminierendes Argument.
SPIEGEL ONLINE: Und damit wäre das Dekret verfassungswidrig?
Jäger: Ja. In den Vereinigten Staaten darf es keine Regelung geben, die aufgrund der Religionszugehörigkeit diskriminiert. Ich gehe aber davon aus, dass die Juristen der US-Regierung das in den kommenden Wochen so formulieren werden, dass es wasserdicht ist. Es wird dann darauf ankommen, wie die Verfahren laufen: Was ist mit den Greencard-Besitzern? Was ist mit den Menschen, die eine doppelte Staatsangehörigkeit haben? Was ist mit Irakern oder Iranern, die aus Europa in die USA einreisen wollen? Das ist enorm kompliziert und es wird Hunderte von Ausnahmen geben, wenn die US-Regierung den Einreisestopp aufrechterhalten will.
SPIEGEL ONLINE: Kanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Kritik an dem Dekret auf die Genfer Flüchtlingskonvention verwiesen. Demnach sind die USA als Unterzeichner verpflichtet, Kriegsflüchtlinge aus humanitären Gründen aufzunehmen. Inwieweit ist Trumps Regierung daran gebunden?
Jäger: Es ist eine moralische Verpflichtung und über das Völkerrecht auch eine juristische. Letztere kann aber von niemandem eingefordert werden. Niemand kann die USA zwingen, die Genfer Konvention einzuhalten. Das gleiche Problem haben wir ja in der Europäischen Union auch – bei der Verteilung der Flüchtlinge.
SPIEGEL ONLINE: Es ist in der US-Geschichte nicht das erste Mal, dass Menschen aus bestimmten Ländern die Einreise verwehrt wird.
Jäger: Bislang gab es so etwas in den USA aber nur, wenn sich die USA im Krieg mit einem Land befunden haben. Dann sind zum Beispiel Amerikaner deutscher Herkunft oder japanischer Herkunft diskriminiert worden. Die sind dann einbestellt, überwacht oder auch an der Einreise gehindert worden.
SPIEGEL ONLINE: Aber Trump macht das nun in Friedenszeiten.
Jäger: Nach dem 11. September 2001 war es ein wesentlicher Schritt des damaligen Präsidenten George W. Bush, Moscheen zu besuchen und zu betonen, dass auch Muslime amerikanische Staatsbürger seien. Trump stellt das infrage und sagt: Wir definieren euch nicht über die Nationalität, sondern über die Religion. Das wird die tief gespaltene amerikanische Gesellschaft noch weiter auseinandertreiben.
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