Zwei führende EU-Politiker haben sich in Interviews mit deutlichen Worten zur türkischen Führung geäußert. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) drohte der Türkei angesichts der politischen Entwicklung mit Strafmaßnahmen. „Wir werden als EU darüber nachdenken müssen, welche wirtschaftlichen Maßnahmen wir ergreifen können“, sagte Schulz der Bild am Sonntag mit Blick auf Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten. Bis Ende des Jahres solle die Zollunion, in der auch die Türkei Mitglied ist, reformiert werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nach dieser Verhaftungswelle gegen Oppositionsabgeordnete und Journalisten die Zollunion ausweiten.“

Trotz der Lage in der Türkei will Schulz die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortführen. „Wenn wir die Beziehungen zur Türkei abbrechen, haben wir keine Möglichkeiten mehr, der Opposition und den Gefangenen zu helfen.“ Deshalb sei er weiterhin für einen Dialog, wenn die Türkei eine rote Linie nicht überschreite. „Wenn die Türkei die Todesstrafe wieder einführen würde, wären die Beitrittsverhandlungen beendet“, sagte Schulz.

Wirtschaftssanktionen „kontraproduktiv“

Auch EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) kritisierte in einem Interview mit der Welt am Sonntag die Regierung um Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und forderte den Präsidenten zu Mäßigung auf. „Ich erwarte von Präsident Erdoğan, dass die Instrumente zur Terrorabwehr in der Türkei, die durchaus ihre Berechtigung haben, nicht so missbraucht werden, dass es unschuldige Menschen trifft und rechtsstaatliche Grundsätze immer wieder verletzt werden“, so Oettinger. Erdoğan solle „sich mäßigen und mit demokratischen Mitteln sein Land regieren“. 

Auch Oettinger sprach sich aber gegen einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen aus. „Wirtschaftssanktionen oder ein Einfrieren der Beitrittsgespräche wären derzeit völlig kontraproduktiv, weil sie unseren Einfluss auf die Türkei in dieser schwierigen Phase schwächen würden“, sagte der EU-Kommissar. „Wir haben andere Instrumente, wie beispielsweise die Gewährung der Visafreiheit, um der Türkei deutlich zu machen, dass wir den derzeitigen politischen Kurs nicht akzeptieren.“ Um die Visafreiheit zu bekommen, müsse die Türkei noch fünf Bedingungen erfüllen. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Türkei noch in diesem Jahr die Visafreiheit erhalten wird“, sagte der CDU-Politiker.

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