Deutschlands größter Islamverband Ditib hat bestätigt, dass Imame des Verbands in Deutschland Informationen über Anhänger des Prediger Fethullah Gülen nach Ankara gesendet haben, sagte Ditib-Generalsekretär Bekir Alboğa der Rheinischen Post. „Wir bedauern die Panne zutiefst“, sagte Alboğa. Eine entsprechende schriftliche Anweisung der türkischen Religionsbehörde Diyanet, nach der Gülen-Anhänger ausspioniert werden sollen, sei nicht an die Ditib gerichtet gewesen, so Alboğa weiter. Trotzdem seien ihr „einige wenige Ditib-Imame fälschlicherweise“ gefolgt.

Ditib hatte jüngst nach Spionagevorwürfen gegen Imame des von Ankara abhängigen Verbands eine Untersuchung angekündigt. Die Welt und die regierungskritische Zeitung Cumhuriyet hatten bereits Anfang Dezember berichtet, angebliche Anhänger des in den USA lebenden Predigers Gülen würden bespitzelt. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erklärte Alboğa nun, circa drei Imame seien dieser Anweisung gefolgt. An wen sich diese Anweisung ursprünglich gerichtet habe, wisse er nicht.

Gülen-Anhänger verließen Ditib-Gemeinden „in Scharen“

Die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen gilt in der Türkei als staatsfeindlich. Präsident Recep Tayyip Erdoğan macht sie für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich. Seine Hizmet-Bewegung betreibt in mehreren Staaten Schulen und engagiert sich eigenen Angaben zufolge für interkulturellen Dialog. Als deutschlandweiter Ansprechpartner der Bewegung versteht sich die Stiftung Dialog und Bildung in Berlin.

Deren Vorsitzender Ercan Karakoyun findet es „schon sehr verniedlichend, jetzt von einer Panne zu sprechen“. Für ihn sei die Situation von vornherein klar gewesen. Den Ditib-Imamen sei es bei ihren Nachforschungen darum gegangen, herauszufinden, „wer sind die, und was tun die, und das wurde dann nach Ankara gemeldet“. In der Folge hätten sich viele Hizmet-Anhänger nicht mehr in die Ditib-Moscheen getraut, hätten die Gemeinden in Scharen verlassen und seien wegen der starken Anfeindungen auf andere Moscheegemeinden ausgewichen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, verwies auf die Ermittlungen durch die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Dort würde geprüft, „ob und in welchem Umfang der Islamverband für die Handlungen dieser Imame verantwortlich ist.“ Das Ergebnis dieser Prüfung müsse „klare Konsequenzen“ nach sich ziehen. „Hier steht viel Vertrauen auf dem Spiel.“ Die Ditib sei für die Bundesregierung ein wichtiger Partner – auch weil Moscheemitglieder wichtige ehrenamtliche Arbeit leisteten. Deshalb erwarte sie, dass der Verband nun „eindeutige Schritte unternimmt, Ditib von Ankara zu lösen“. Die Moscheebesucher müssten sich sicher sein können, dass der Verband „fest auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung steht“. 

„Hier steht viel Vertrauen auf dem Spiel“

Auch der religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, der bereits im Dezember Strafanzeige wegen Verdachts der Spionage gestellt hatte, forderte die Ditib-Führung auf, „die Personen zu benennen, die im Auftrag der türkischen Republik Informationen gesammelt und an türkische Stellen weitergegeben haben“.

Der Ditib-Bundesverband wiederum betont, von der Türkei unabhängig zu sein. Die Verbindung zum türkischen Religionspräsidium ist aber in ihrer Satzung festgeschrieben. Einem Sprecher des Bundesinnenministeriums zufolge nimmt der politische Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib derzeit stark zu. Es stelle sich daher die Frage, ob der Verein religiös selbstbestimmt sei. Ditib gestaltet auch den Religionsunterricht an deutschen Schulen mit.

NRW sieht Ditib weiterhin als „wichtigen Partner“

Mehrere Bundesländer waren nach dem Putschversuch von Kooperationen mit Ditib abgerückt. In Nordrhein-Westfalen hatte Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Zusammenarbeit mit der Ditib bei einem Präventionsprogramm gegen radikalen Salafismus bereits beendet. Grundsätzlich will die rot-grüne Landesregierung jedoch weiterhin mit dem Verband kooperieren. Eine Sprecherin des Integrationsministeriums sagte, die Regierung sehe die Ditib weiterhin als „wichtigen Partner“ an, erwarte aber „eine eindeutige Haltung im Sinne von Deeskalation und Meinungsfreiheit“. Der Verband ist weiter in einem Beirat für den Islamischen Religionsunterricht an NRW-Schulen vertreten.

Derzeit bemüht sich die Ditib in Nordrhein-Westfalen um eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat deshalb ein unabhängiges Gutachten über die mögliche Nähe des Dachverbandes zum türkischen Staat in Auftrag gegeben. Es soll spätestens zum Jahresende vorliegen.

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