Türkische Einsatzkräfte haben eine Gay-Pride-Parade in Istanbul größtenteils verhindert. Mit Wasserwerfern sperrten Polizisten den Bereich um die Einkaufsstraße Istiklal im Stadtzentrum ab, die zum Taksim-Platz führt. Einige Aktivisten schafften es dennoch, sich zu versammeln und Slogans zu skandieren. Mehrere von ihnen wurden festgenommen, berichteten Medien übereinstimmend. Die Organisatoren bezifferten die Gesamtzahl der Festnahmen auf Twitter mit mehr als 20. Die Polizei setzte Gummigeschosse ein.

Augenzeugenberichten zufolge wurde auch der Korrespondent der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), Bram Janssen, festgenommen. AP-Mitarbeiter bestätigten die Festnahme Janssens, der demnach am späten Sonntagabend noch immer in Polizeigewahrsam war.

Die Demonstration für die Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) war im dritten Jahr in Folge nicht genehmigt worden. Der Istanbuler Gouverneur hatte die Parade am Vortag aus Sicherheitsgründen verboten. Die Behörden erklärten, die Veranstaltung gefährde die Sicherheit von Bürgern und Touristen sowie die öffentliche Ordnung. Die Veranstalter riefen dennoch zur Teilnahme auf.

Die Polizei blockierte Seitenstraßen mit Barrikaden und Fahrzeugen. Aktivisten berichteten, sie seien aufgehalten worden, weil sie etwa Regenbogen-T-Shirts trugen. Die Regenbogenfahne ist ein Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung.

Ein Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtete auf Twitter von einer surrealen Szene: Bereitschaftspolizisten hätten eine kleine Gruppe von Demonstranten gestoppt, einige Beamte hätten Hunde dabei gehabt. Gemeinsam standen sie auf der Nebenstraße, warteten, was als nächstes geschehen würde, während ein Helikopter das Gebiet überflog.

„Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention“

Ein Journalist twitterte ein Video, das eine LGBTI-Demonstration in Cihangir zeigt, einem anderen Istanbuler Stadtteil in der Nähe von Taksim.

Wenig später veröffentlichte er ein weiteres Video. Nun attackierte die Polizei die Demonstranten:

Amnesty International teilte in einem Statement mit, man sei tief beunruhigt. Die Organisation rief die Behörden auf, das Verbot aufzuheben. Stattdessen solle der Staat die Demonstranten schützen. Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) kritisierte, das Verbot sei „ein klarer Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention“. Er forderte die Bundesregierung zum Handeln auf. Volker Beck war im vergangenen Jahr vorrübergehend festgenommen worden, als er an der Gay Pride Parade in Istanbul teilnahm.

Die Parade zum Abschluss der Istanbuler Pride Week wird von Aktivisten seit mehr als zehn Jahren organisiert. Sie war die einzige Demonstration von Homosexuellen in einem mehrheitlich muslimischen Land in dieser Weltregion. 2015 wurde die Pride Parade erstmals verboten. Damals verwies der Gouverneur der Stadt auf den für Muslime heiligen Monat Ramadan. Dennoch gingen Tausende auf die Straße. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen friedliche Demonstranten ein.

In diesem Jahr fiel die Parade mit dem Fastenbrechen zum Abschluss des Ramadan zusammen. In sozialen Netzwerken machten türkische Nationalisten und Rechtsextremisten Stimmung gegen die Demonstration. In der Türkei herrscht seit dem gescheiterten Putschversuch gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan im vergangenen Juli der Ausnahmezustand.

Die mehrheitlich muslimische Türkei gehört zu den wenigen Ländern in der Region, in denen Homosexualität nicht verboten ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Schwule, Lesben, Bi- oder Transsexuelle.

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