Berkay Akbas, 19 Jahre alt, war nach Istanbul gekommen, um zu feiern. Er hatte gerade die Medizin-Klausuren an der Universität in Ankara hinter sich gebracht, nun wollte er mit Freunden ein fröhliches Wochenende verbringen.
Akbas saß im Taxi, als am Samstagabend um 22.29 Uhr vor der Vodafone-Arena des Istanbuler Fußballklubs Besiktas und wenige Sekunden später im nahe gelegenen Macka-Park zwei Bomben explodierten. Er war sofort tot. Mit ihm starben 37 weitere Menschen, die meisten von ihnen Polizisten, mehr als 150 wurden verletzt.
Für die Menschen in der Türkei endet das Jahr 2016 so grauenvoll, wie es begonnen hat. Im Januar tötete ein islamistischer Selbstmordattentäter in der Altstadt von Istanbul zwölf deutsche Touristen. Es folgten: mehr als ein Dutzend weitere schwere Anschläge islamistischer und kurdischer Extremisten im ganzen Land mit insgesamt etwa 400 Toten; ein gescheiterter Militärputsch im Juli, der fast 300 Menschen das Leben gekostet hat; Massenverhaftungen von vermeintlichen Verschwörern; Wirtschaftskrise; Militäreinsätze in Syrien und im Irak.
Teile der Türkei erinnern wegen der Kämpfe an Syrien
Die Bilder, die seit Samstagabend im türkischen Fernsehen laufen, wirken auf beklemmende Weise vertraut: Helfer hieven Verletzte in Krankenwagen, Sirenen heulen, Sicherheitskräfte patrouillieren auf den Straßen. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem „abscheulichen Terrorakt“. Premier Binali Yildirim kündigte eine eintägige Staatstrauer an.
Die türkische Regierung war schnell überzeugt, dass die Täter aus dem Umfeld der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK stammen. Am Sonntagnachmittag dann bekannten sich die „Freiheitsfalken Kurdistans“, eine Splittergruppe der PKK, zu dem Anschlag.
Seit Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der PKK im Frühsommer 2015 endgültig gescheitert sind, bekriegen sich beide Seiten so heftig wie seit den Neunzigerjahren nicht mehr.
Kurdische Extremisten attackieren türkische Sicherheitskräfte, sprengen sich vor Kasernen, Polizeistationen und immer häufiger auch vor zivilen Einrichtungen in die Luft. Der Staat reagiert mit Militärangriffen auf PKK-Stellungen im Nordirak und im Südosten der Türkei. Bei Gefechten zwischen dem türkischen Militär und der PKK kamen in den vergangenen Monaten Hunderte Menschen ums Leben; Teile des Landes erinnern inzwischen an Syrien.
In Istanbul dominieren Angst und Entsetzen
Der Anschlag vom 10. Dezember dürfte die Spannungen in dem Land nun noch weiter verschärfen. Am Sonntag versammelten sich in der Türkei Tausende Bürger zu Protesten. Manche Demonstranten forderten die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Und auch die Regierung von Präsident Erdogan lässt wenig Zweifel daran, dass sie an ihrem radikalen Anti-Terror-Kurs festhalten will. „Unsere dringlichste Aufgabe ist, Rache zu nehmen“, sagt Innenminister Süleyman Soylu.
In Istanbul, einer Stadt, die bis vor Kurzem für ihren Optimismus und ihre Energie berühmt war, dominieren längst Angst und Entsetzen. Viele Menschen zweifeln daran, dass der Staat überhaupt noch in der Lage ist, Sicherheit zu garantieren. „Wir verurteilen den Terror seit Jahren“, sagt Salim Akbas, der Vater des ermordeten Medizinstudenten Berkay Akbas. „Morgen werden sie Blumen (am Tatort) zurücklassen. Und das wird alles sein.“
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