Russland droht kaum verhohlen mit der Atombombe, seit 30 Jahren war die Gefahr eines Kernwaffeneinsatzes nicht mehr so hoch. Doch warum sollte der Kremlchef das überhaupt tun? Und unter welchen Umständen könnte er? Drei denkbare Szenarien.
Die Atombombe entfaltet ihre ganze Macht bereits, ohne, dass sie überhaupt eingesetzt werden muss. Allein ihre bloße Erwähnung oder die Ankündigung, Trägersysteme in Alarmbereitschaft zu versetzen, verbreiten Angst und Schrecken. So hatte es Russlands Präsident Wladimir Putin jüngst getan, zuvor hatte er schon mit „nie gesehenen Konsequenzen“ für den Fall gedroht, „sollte der Westen in den Ukraine-Krieg intervenieren“. Das dahinter mehr stecken könnte als bloße Rhetorik ist im russischen Staatsfernsehen zu beobachten. „Zur Hauptsendezeit wird darüber geredet, Atombomben in europäische Städte zu schicken“, sagt die geflohene Oppositionelle Maria Aljochina von Pussy Riot. Dort steht auf Grafiken dann, wie lange russische Atomrakete von Kaliningrad aus zum Beispiel nach Berlin brauchen (106 Sekunden).
PAID Putin Nuklear 14.41
Seit dem Kalten Krieg besteht in Europa wieder die echte Gefahr eines Nuklearschlags. Wie hoch sie tatsächlich ist, ist umstritten. Manche schätzen sie höher ein als zu Zeiten der Kuba-Krise, einer der heikelsten Momente im damaligen Kräftemessen der Supermächte. Die amerikanischen Geheimdienste glauben dagegen, dass ein Einsatz von Atomwaffen unwahrscheinlich sei.
Das US-Magazin „Politico“ weist darauf hin, dass es mindestens drei Varianten gebe, Nuklearwaffen zu verwenden. Und nicht jede davon muss zwangsläufig in der ultimativen Vernichtung enden:
Szenario 1: Der Atombombentest
Dieser Nuklearwaffeneinsatz wäre eher symbolischer Art, aber dennoch verstörend: der überirdische Test einer Atombombe mit geringer Sprengkraft. Zum Beispiel auf der Insel Nowaja Semlja, einem abgelegenen Testgelände im Nordpolarmeer. Dort wären die zu erwartenden Schäden und der Fallout zu vernachlässigen, nicht aber der psychologische Effekt. Es wäre die erste Atomwaffenexplosion durch eine Supermacht seit 1992 und der erste atmosphärische Test seit 1963. Zudem wäre es „eine mächtige Erinnerung daran, dass Putin taktische Nuklearwaffen im Überfluss hat, rund 2000, und zudem vorbereitet ist, sie einzusetzen“, so „Politico“.
Szenario 2: Eine Explosion im Luftraum über der Ukraine
1962 haben die USA über dem Pazifik in 400 Kilometer Höhe einen nuklearen Sprengkopf detonieren lassen – mit überraschenden Auswirkungen. So hatte der elektromagnetische Impuls die Straßenbeleuchtung sowie die Telefonanlage auf den 1500 Kilometer entfernten Hawaii-Inseln lahmgelegt. Eine vergleichbar nukleare Explosion über der Ukraine wäre weithin sichtbar und könnte ganze Landstriche dort in „Dunkelheit und Schweigen hüllen, in dem sie Computer, Handys und andere Elektronik ausschaltet“, schreibt das US-Magazin. Der gleiche Effekt aber könnte sowohl in Nato-Staaten als auch in Russland auftreten. Die Folgen dieses Szenario sind also auch für den Kreml schwer einschätzbar.
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Szenario 3: Atombombeneinsatz auf dem Gebiet der Ukraine
Der gefährlichste und deswegen wohl auch unwahrscheinlichste Einsatz wäre der Beschuss von ukrainischen Zielen, zum Beispiel Militäreinrichtungen oder Städten wie Mariupol mit nuklearen Sprengköpfen. Denkbar wäre auch ein Abwurf über spärlich bewohnte Gegenden wie auf dem Ackerland im Westen des Landes. Doch selbst die kleinste Atombombe würde große Landstriche in Brand setzen. Und je nach Höhe der Explosion könnte sich der radioaktive Fallout sowohl Richtung Nato-Staaten bewegen als auch Richtung Russland.
Atom-Alarmbereitschaft – was heißt das, 19.50
Fazit: „Obwohl diese Szenarien derzeit unwahrscheinlich sind, sind sie genauso wenig weit hergeholt, denn denkbare Anlässe gäbe es: eine bevorstehende Niederlage Russland, eine weitere Demütigung wie der Verlust des russischen Flaggschiffs „Moskwa“ oder wachsende inner-russische Unzufriedenheit über den Kriegsverlauf – Putin braucht keinen logischen Grund für den Einsatz von Atomwaffen“, so „Politico“.
Quellen: DPA, AFP, „Politico“
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