Wenige Tage nach der Befreiung ehemals besetzter Gebiete in der Ostukraine ist Präsident Wolodymyr Selenskyj in die Region gereist. „Unsere blau-gelbe Flagge weht bereits im befreiten Isjum“, sagte das ukrainische Staatsoberhaupt bei einem Besuch in der von Russland zurückeroberten Stadt. Der Anblick der Zerstörung sei schockierend, überrasche ihn aber nicht. Die gleichen Bilder habe man aus Butscha und anderen Gebieten gesehen, aus denen die russischen Soldaten abgezogen sind, sagte Selenskyj und bekräftigte den Kampfesmut seiner Landsleute: „Wir bewegen uns nur in eine Richtung – vorwärts und bis zum Sieg.“
Leichen mit Folterspuren
Indes kündigten ukrainische Staatsanwälte an, mit speziellen Ermittlungsteams dem Verdacht auf mögliche russische Kriegsverbrechen in den befreiten Gebieten nachzugehen. „Wir haben ein schreckliches Bild von dem, was die Besatzer getan haben, insbesondere in der Region Charkiw“, sagte Generalstaatsanwalt Andrij Kostin. In zurückeroberten Dörfern seien sechs Leichen mit Anzeichen von Folter gefunden worden. Unabhängig lassen sich die Angaben derzeit nicht überprüfen.
Ursula von der Leyen erneut zu Gesprächen in Kiew
EU-KommissionspräsidentinUrsula von der Leyen ist auf dem Weg nach Kiew – bereits zum dritten Mal seit Kriegsbeginn Ende Februar. Ziel der Reise seien Gespräche über einen Zugang der Ukraine zum europäischen Binnenmarkt, sagte die CDU-Politikerin bei einer Rede zur Lage der Europäischen Union in Straßburg. Zur Bekämpfung der Energiekrise in Europa schlug sie dabei unter anderem vor, übermäßige Gewinne von Energieunternehmen an Verbraucherinnen und Betriebe umzuverteilen.
Weitere wichtige Ereignisse im Überblick:
- Der ukrainische Gouverneur für die Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, hat erneut dazu aufgerufen, russisch kontrollierte Gebiete zu verlassen. Russische Truppen würden absichtlich die ukrainische Bevölkerung in Kramatorsk terrorisieren. Er veröffentlichte Bilder von einem angeblichen Angriff auf die Stadt.
- Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) dringt darauf, die Ukraine nicht zu lange auf eine Entscheidung über mögliche westliche Panzerlieferungen warten zu lassen. Grundsätzlich könne darüber nur gemeinsam entschieden werden, „in einer Koalition und international“, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
- Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte derweil erneut, dass es bei Waffenlieferungen keine deutschen Alleingänge geben werde. Die bereits zur Verfügung gestellten schweren Waffen seien „entscheidend für die Entwicklung des Konflikts im Osten der Ukraine“ und hätten dazu geführt, dass die Ukraine „sehr sichtbar ihr eigenes Land zu verteidigen in der Lage ist“.
- Zu seinem Telefonat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag – dem ersten seit Monaten – sagte Scholz: „Leider kann ich Ihnen nicht sagen, dass dort jetzt die Einsicht gewachsen ist, dass das ein Fehler war, diesen Krieg zu beginnen.“ Trotzdem sei es „richtig, miteinander zu sprechen, und das zu sagen, was ich aus meiner Sicht zu diesen Themen zu sagen habe“.
- Putin hat sich vor Kriegsbeginn
offenbar trotz eines Entgegenkommens der Ukraine nicht von seinen
Einmarschplänen abbringen lassen. Nach Informationen der
Nachrichtenagentur Reuters lag im Februar eine vorläufige Vereinbarung
beider Länder zu Russlands Bedenken wegen eines möglichen
Nato-Beitritts der Ukraine vor – Putin griff trotzdem an. Sein Sprecher
Dmitri Peskow wies den Bericht am Mittwoch als „absolut falsche Informationen“ zurück. - UN-Generalsekretär António Guterres sieht kaum Chancen auf eine Verhandlungslösung des Krieges. Zwar seien die Vereinten Nationen bereit, in jeglicher Hinsicht an einer diplomatischen Lösung zu arbeiten, die Chancen dafür seien gegenwärtig aber minimal.
- Nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes hat Russland in der Ukraine erstmals iranische Drohnen eingesetzt.
- Die Sanktionen der EU gegen Russland werden um ein halbes Jahr verlängert: Als letztes Land hat Ungarn von einer Blockade abgesehen. Das Verfahren sei erfolgreich abgeschlossen worden, sagte eine Sprecherin der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Diplomaten zufolge wollte Ungarn ursprünglich erreichen, dass Sanktionen gegen drei russische Oligarchen aufgehoben werden.
- Papst Franziskus hat zum Frieden aufgerufen und sich deutlich von Äußerungen des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. distanziert. Religionen sollten sich niemals in den Dienst weltlicher Macht stellen und niemals zu Gewalt aufrufen, sagte Franziskus. Kyrill hatte den russischen Angriffskrieg mehrfach mit religiöser Rhetorik zu rechtfertigen versucht.
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