Gin, Tabletten oder doch einfach nur unglaubliche Professionalität und Selbstdisziplin? Diese Frage musste sich unweigerlich stellen, wer am Donnerstag das erste Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und Donald Trump im Weißen Haus verfolgte. Noch am Montag vor der Wahl hatte Obama auf einer Bühne in Philadelphia gestanden und Trump jegliche Kompetenz fürs Oval Office abgesprochen.

Dem Mann sei von seinem Wahlkampfteam die Kontrolle über den eigenen Twitteraccount weggenommen worden, wie könne man ihm da Kontrolle über die Nuklearcodes des Landes anvertrauen? Nun, die Wähler konnten.

Natürlich gehört radikale und überspitzte Kritik am Gegner zum Wahlkampfgeschäft. Aber selbst unter Republikanern gibt es nicht wenige, die ihm die Präsidentschaft tatsächlich nicht zutrauten. Doch kaum war das Ergebnis offiziell, rissen sich alle zusammen: Obama, Hillary Clinton und auch Kritiker aus der eigenen Partei wie Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses – Professionalität schlägt Frust und Enttäuschung. Die guten Demokraten werden ihrer Aufgabe gerecht und sichern Trump ihre Unterstützung zu.

Clinton zeigte sich dabei in der Stunde ihrer bittersten Niederlage nahbarer als jemals zuvor in diesem Wahlkampf und brachte es über sich, Trump ihre Zusammenarbeit anzubieten. Für die Konservativen war die Brücke die sie schlagen mussten, kleiner. Auch, weil die Konservativen die Macht in beiden Kammern des Kongresses behalten haben. Es hätte sehr viel schlechter laufen können für die Republikaner.

Ganz neue Töne

„Was ich heute von Donald Trump erfahren habe ist, dass er ein Mann der Tat ist“, sagte Ryan in einem Interview mit Fox News nach einem Treffen in Washington. „Er ist bereit an die Arbeit zu gehen.“ Und Mitt Romney, der noch vor der Wahl eine Brandrede gehalten und vor Trump als Präsident gewarnt hatte twitterte, ganz Politprofi: „Möge die Bewahrung unserer Republik stets sein Ziel sein.“

Der Rückzug auf die Betonung der Grundrechte der Demokratie ist ein Weg, den Schock zu verarbeiten.

Obama bleibt in seiner Rolle keine andere Wahl. Er selbst sagte es am Tag nach der Entscheidung: diese Aufgabe sei größer als ein Einzelner. Persönliche Antipathien haben in seinem Job keinen Platz, auch, wenn mit Trump im Oval Office viele Errungenschaften seiner beiden Amtszeiten gefährdet sind. Es ist seine Aufgabe, zu versuchen, die Spaltung des Landes nicht noch weiter zu forcieren. Mit der Wahl für Trump hat das Gegeneinander in der amerikanischen Gesellschaft eine neue Dimension erreicht.

Auf der einen Seite stehen Trumps Anhänger, die sich mit diesem Sieg in ihren Ansichten bestätigt fühlen und – das ist die ganz reale Gefahr –, ihre Wut und ihren Frust ausleben. Erste Vorfälle von Rassismus und Hass gibt es bereits, etwa an einer Universität in Texas, wo sich eine Bürgerwehr gegen Diversität auflehnt. Das geschieht auch, weil Trump seine Unterstützer monatelang darin bestärkt hat, dass sie jede Berechtigung dazu haben. Es wird sich zeigen ob Trump, wie er angekündigt hat tatsächlich den Willen zeigt, als Präsident anders zu agieren denn als Wahlkämpfer. Als großer Brückenbauer ist er in seiner kurzen politischen Karriere nicht in Erscheinung getreten.

Auf den Straßen rumort es

Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die seit Dienstag zu Tausenden auf die Straße gehen und gegen Trump demonstrieren. Sie nennen ihn einen Rassisten, Sexisten, Narzissten und #NotMyPresident, nicht ihren Präsidenten. Bis jetzt bleibt dieser Protest weitestgehend friedlich, aber in Oakland entlud sich die Wut, als zumeist junge Anti-Trump-Protestler randalierten. Auch soll es bei Demos zu „Kill Trump“-Rufen gekommen sein.

Diejenigen, die friedlich demonstrieren, wollen sich sichtbar und hörbar für Gleichstellungsrechte und Pluralität einsetzen. Faktisch kann der Protest nichts daran ändern, dass Trump am 20. Januar in Washington als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird.

Aber: die Stimmen der Straße bilden ein Gegengewicht zu den sehr abwägenden Worten der politischen Elite, die die Wahlentscheidung für Trump in den kommenden Monaten in eine arbeitsfähige Realität umsetzen muss.

Politischer Widerstand formiert sich

Wie politische Auseinandersetzung mit Trump aussehen kann, zeigt Elizabeth Warren, demokratische Senatorin in Massachusetts. Sie war unter Clintons Unterstützerin eine der lautesten Trumpkritiker und gehört dem linke Flügel der Partei an. Bei einer Veranstaltung in Washington beschränkte sie sich nicht auf Willkommensphrasen, sondern sprach direkt über Inhalte.

Sie sei gerne bereit mit Trump zu kooperieren wenn es darum gehe, Millionen Amerikanern wieder mehr wirtschaftliche Sicherheit zu verschaffen. Solle er aber versuchen, Wall-Street-Reformen zurückzunehmen, „werde ich ihn in jedem Schritt, den er unternimmt, bekämpfen“.

Und auch Bernie Sanders hatte in seiner Anerkennung von Trumps Sieg ein schlaues, ein entschiedenes „Aber“ plaziert. „Ich und andere Progressive sind darauf vorbereitet mit ihm zusammenzuarbeiten. Wenn er rassistische, sexistische, xenophobe und anti-ökologische Politik vorantreibt, werden wir ihm energisch entgegentreten.“ Abfinden, das zeigen diese ersten Tage nach der Wahl, werden sich Trumps Gegner mit seinem Sieg nicht so einfach.

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