Ein Gesetz zur massiven Ausweitung der Machtbefugnisse des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist am Samstag ins Parlament eingebracht worden. Das berichteten der staatliche Fernsehsender TRT sowie die Nachrichtenagentur Anadolu.
Die von Erdogan mitbegründete Regierungspartei Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) habe die Vorlage für die Verfassungsänderung dem Parlamentspräsidium übermittelt, meldete Anadolu. Mit ihr soll ein Präsidialsystem wie in Frankreich oder den USA eingeführt werden. Allerdings kommt die AKP selbst mit ihren Verbündeten im Parlament nicht auf die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Reform direkt zu verabschieden. Die AKP will daher gemeinsam mit der Nationalistischen Bewegung (MHP) ein Referendum über die Verfassungsänderung ansetzen. Dafür reichen 330 Stimmen.
„Der Präsident der Republik ist der Staatschef. Die Exekutivgewalt liegt beim Präsidenten der Republik“, heißt es in dem umstrittenen Entwurf, der 21 Artikel umfasst. Der Präsident soll demnach künftig Minister ernennen und entlassen sowie Dekrete erlassen können. Das Präsidialsystem werde „der Verwirrung über die Machtteilung“ zwischen Präsident und Ministerpräsident ein Ende setzen, sagte Regierungschef Binali Yildirim. Nach Angaben von Vize-Regierungschef Nurettin Canikli könnte die Volksbefragung über die Ausweitung der Macht des Präsidenten bereits im März stattfinden.
Opposition sieht parlamentarische Tradition in Gefahr
Erdogans Gegner befürchten, dass die Reform vor allem der Stärkung seiner persönlichen Macht dient. Meral Danis Bestas von der prokurdischen HDP warnte, das Präsidialsystem würde das Land „dem Willen einer einzigen Person ausliefern“. Der Chef der kemalistisch republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, warnte, das Projekt gefährde die „140 Jahre alte parlamentarische Tradition“ in der Türkei. Die konservativ-islamische AKP-Regierung behauptet dagegen, die Aufwertung des Präsidenten sei notwendig, um dem Land eine starke Führung zu geben.
Der Staatschef in der Türkei hatte bisher eine vorwiegend repräsentative Funktion. Seitdem Erdogan im August 2014 als erster Präsident der Türkei in direkter Wahl an die Staatsspitze gewählt worden war, verfolgt er aber eine Ausweitung seiner Macht. „Wenn Gott will, wird dies der Beginn einer neuen Ära für die Türkei“, sagte Erdogan bei einer Rede in Istanbul. „Mein Wunsch ist, dass der Text mit Erfolg die Etappe des Parlaments nimmt.“
Seit einem gescheiterten Putschversuch im Sommer dieses Jahres geht Erdogans Regierung mit großer Härte gegen Kritiker vor. Vor diesem Hintergrund fordern Österreich, die Niederlande und Bulgarien mittlerweile, die Gespräche über einen EU-Beitritt der Türkei zu stoppen. „Wenn Europa nicht auf die Entwicklungen in der Türkei reagiert, halte ich das für problematisch“, sagt der österreichische Außenminister Sebastian Kurz im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
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