Wenn der US-Präsident den israelischen Regierungschef besucht, reist er dafür nach Jerusalem. Wenn er vor der Knesset spricht, reist er nach Jerusalem. Wenn er den israelischen Staatschef trifft, reist er auch nach Jerusalem. Aber wenn er einen Abstecher in die US-Botschaft macht, muss er dafür nach Tel Aviv reisen.
Donald Trump will das ändern: Er hatte im Wahlkampf versprochen, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Sein Sprecher Sean Spicer hat verkündet, dass inzwischen erste Gespräche darüber laufen. Wenn Trump ernst macht, droht sich der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern weiter zu verschärfen.
Israel hat Jerusalem 1950 zu seiner Hauptstadt erklärt. Dort befinden sich auch der Regierungssitz und das Parlament. Nachdem Israel im Sechstagekrieg 1967 auch den Ostteil der Stadt eroberte, erklärte die Knesset im sogenannten Jerusalemgesetz von 1980 „das vollständige und vereinigte Jerusalem“ zur Hauptstadt Israels – also einschließlich des völkerrechtswidrig besetzten Ost-Jerusalem. Der Uno-Sicherheitsrat erklärte die faktische Annexion Ost-Jerusalems durch Israel für „null und nichtig“.
Umzug der US-Botschaft hätte große Symbolik
Der Uno-Teilungsplan für Palästina aus dem Jahr 1947 hatte vorgesehen, die Stadt unter internationale Verwaltung zu stellen. Dieses Vorhaben ist längst gescheitert, gleichwohl herrscht unter den Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrates Konsens darüber, dass der Status Jerusalems erst im Zuge eines israelisch-palästinensischen Friedensvertrages abschließend geklärt werden sollte.
Trump will damit nun offenbar brechen: Sollte er die US-Botschaft verlegen, würden die Vereinigten Staaten Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkennen. Wenn die Weltmacht diesen Schritt vollzieht, hätte das große symbolische Bedeutung.
Doch der Geschäftsmann Trump würde damit einen schlechten Deal machen. Denn mit der Verlegung der Botschaft kann er kaum etwas gewinnen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist ihm eh schon wohlgesonnen. Er konnte Trumps Vorgänger Barack Obama nicht ausstehen, die Beziehungen zur US-Regierung können mit dem neuen Präsidenten nur besser werden. Auch Aipac und andere wichtige proisraelische Lobbygruppen in Washington haben Trump bereits im Wahlkampf unterstützt und halten traditionell den Republikanern die Treue.
Auf der anderen Seite hat Trump mit einem Botschaftsumzug einiges zu verlieren: Schon jetzt werden die USA im Nahostkonflikt nicht als neutrale Partei, sondern als Unterstützer Israels wahrgenommen. Wenn Washington nun auch noch Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkennt, wird sich dieser Eindruck noch weiter verstärken. Damit vergrätzt Trump nicht nur die Palästinenser, sondern vor allem Jordanien, einen der wichtigsten Verbündeten der Amerikaner in der Region.
Trump schwächt seine arabischen Verbündeten
Jordaniens König Abdullah II. ist nicht nur formell der Wächter über die heiligen Stätten auf dem Tempelberg in Jerusalem. In seinem Land ist auch jeder zweite Einwohner palästinensisch-stämmig. Der Monarch fürchtet deshalb Unruhen. Der 1994 geschlossene Friedensvertrag mit Israel ist im Volk äußerst unbeliebt. Wenn die Verbündeten USA und Israel dann eigenmächtig gemeinsame Sache machen und Jordanien brüskieren, schwächt das die Führung in Amman.
Trump braucht aber Jordanien, wenn er es mit seinem Versprechen ernst meint, die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) auszulöschen. Das Land ist ein wichtiges Mitglied in der US-geführten Anti-IS-Koalition. Obwohl der Einsatz unter den Jordaniern umstritten ist, beteiligt sich das Militär mit mehreren Kampfjets an der Operation gegen die Dschihadisten. Nun droht der US-Präsident, diesen Partner zu brüskieren.
Und Jordanien steht damit nicht allein: Offenbar plant Trump, die Vergabe von Visa an Bürger aus mehreren Staaten des Nahen Ostens auszusetzen. Auf dieser Liste soll auch der Irak stehen. Seit Jahren unterstützt Washington die Regierung in Bagdad und die kurdische Autonomiebehörde im Kampf gegen den IS. Nun erklärt der US-Präsident per Handstreich alle Iraker pauschal zu Terrorverdächtigen. Noch dazu fällt diese Entscheidung just in dem Moment, da das irakische Militär nach monatelangem Kampf und schweren Verlusten einen wichtigen militärischen Erfolg verkündet hat: Die Rückeroberung des Ostteils der IS-Hochburg Mossul.
Mit seiner Inszenierung als Einzelkämpfer, der keine Rücksicht auf Freund und Feind nimmt, hat es Donald Trump ins Weiße Haus geschafft. Im Nahen Osten wird er damit nicht weit kommen.
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