USA-Reise: Olaf Scholz bei Joe Biden: Deutscher Lautsprecher vor knisterndem Kaminfeuer

USA-Reise: Olaf Scholz bei Joe Biden: Deutscher Lautsprecher vor knisterndem Kaminfeuer

Bundeskanzler Olaf Scholz hat US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus besucht. In Fragen von Krieg und Frieden sind sich beide einig – leider hilft das der Ukraine gerade wenig.

 

Im Oval Office, dem Büro des US-Präsidenten gibt, es diesen alten Kamin, elfenbeinweiß, mit dezenten Ornamenten. Vor ihm ließ sich schon so manches Mal beobachten, wie es um das deutsch-amerikanische Verhältnis bestellt war. Gerhard Schröder und George W. Bush feierten hier ganz kumpelig Versöhnung. Donald Trump verweigerte Angela Merkel hier ziemlich grimmig den Handschlag.

Das Knistern im Kamin

Von Olaf Scholz und Joe Biden gibt es nur nette Kaminbilder. Zwei Staatsmänner, die dem anderen aufmerksam zuhören. Zwei Sozialdemokraten, die sich mögen. So war das bisher, so ist es auch jetzt.

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Biden empfängt Scholz, hinter ihnen im Kamin knistert ein Feuer. Das Holz knackt so laut, dass man Bidens Begrüßung schon drei Meter entfernt kaum noch versteht. 

Bei diesem Duo ist Scholz der Lautsprecher. 

Der Kanzler kann den Zuspruch eines Freundes gebrauchen

Er beglückwünsche den Bundeskanzler für seine Führung bei der Unterstützung der Ukraine, sagt Biden deutlich genug für alle Kameras im Raum. Scholz nickt zufrieden. 

Der deutsche Bundeskanzler zu Gast beim amerikanischen Präsidenten, das ist offiziell ein Arbeitsbesuch. Für Biden und Scholz allerdings – und sie wurden nicht müde, das zu betonen – ist es ein Austausch unter guten Freunden.

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Der Zeitpunkt des Treffens hätte besser kaum sein können. Scholz reist in einer Woche nach Washington, in der Milliardenhilfen für die Ukraine und Israel nach langen Verhandlungen im US-Kongress gescheitert sind. Und erkommt zu einer Zeit, in der er in Europa um mehr Waffenlieferungen an die ukrainische Armee wirbt.

Er hoffe, sagt Scholz, dass der Kongress die Hilfen schnell bewillige. Biden hebt leicht die rechte Hand und verschränkt Zeige- und Mittelfinger.

Fingers crossed.

Biden und Scholz – sie brauchen sich

Es ist ein düsteres Szenario: Falls keine Militärhilfen mehr aus den USA kommen, falls andere europäische Staaten nichtmehr liefern, wird es einsam um Scholz und das deutsche Engagement für die Ukraine. Da kann der Kanzler den Zuspruch eines alten Freundes bestens gebrauchen – auch wenn der selbst in Sachen Ukraine gerade wenig tun kann.

Im Gegenzug kann Biden die Solidarität seines Gastes an diesem Nachmittag besonders gut vertragen: Im US-Wahlkampf sind die Versprecher und vermuteten Gedächtnislücken des Präsidenten das Thema des Tages.  

Klar, Scholz und Biden telefonieren regelmäßig. Aber so ein persönlicher Austausch sei eben etwas ganz anderes, hieß vorher aus Scholz‘ Umfeld. Das Verhältnis sei vertrauensvoll. Eine Stunde war für das Treffen im Oval Office angesetzt. Am Ende dauert es deutlich länger. Vor allem zur Unterstützung für die Ukraine und zur Lage im Nahen Osten wollte sich der Kanzler mit dem US-Präsidenten austauschen.

Ampel-Streit und Haushaltschaos sind bei dieser Auslandsreise weit weg. Hier geht es um mehr. 

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Nach dem Gespräch steht Scholz draußen vor dem Weißen Haus im Lafayette Park. Sein letztes Statement der Reise wird begleitet von Posaunenklängen eines Straßenmusikers. 

„Man kann sicher sagen, dass gegenwärtig die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA so intensiv, so eng und so einvernehmlich sind, wie das wahrscheinlich über viele Jahre und Jahrzehnte nicht der Fall war“, sagt Scholz.

Er wirkt dementsprechend zufrieden. Doch selbstverständlich gilt auch nach dem Gespräch, was das Kanzleramt davor noch einmal verbreiten ließ: Man darf den deutschen Einfluss in Washington nicht überschätzen. 

Aber versuchen kann man es ja trotzdem, oder nicht?

Seine Botschaft ans amerikanische Establishment hat Scholz am Tag seiner Ankunft im „Wall Street Journal“ platziert. Die Wirtschaftszeitung wird bis weit ins eher gemäßigte republikanische hinein Lager gelesen. Also von Menschen, die Waffenlieferungen an die Ukraine durchaus kritisch sehen. Die für gute Argumente aber immer noch erreichbar sind. 

Strack-Zimmermann und Hofreiter gefällt das

„Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um einen russischen Sieg zu verhindern“. schreibt Scholz in dem Gastbeitrag und fordert weitere militärische Hilfen für die Ukraine. „Tun wir dies nicht, könnten wir uns bald in einer Welt wiederfinden, die sogar noch instabiler, bedrohlicher und unberechenbarer ist als während des Kalten Krieges.“

Es ist ein Text, der auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Anton Hofreiter gefallen müsste. 

Scholz tritt in Washington mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes auf, der sein Soll erfüllt. Deutschland habe inzwischen Militärgerät im Wert von mehr als 30 Milliarden Euro geliefert oder bereits beschlossen. Vorbei sind aus Sicht des Kanzlers auch die Zeiten, in denen sich die Bundesrepublik für ihren Beitrag zur Sicherheitsarchitektur des Westens rechtfertigen müsse. Zwei Prozent-Ziel der Nato? Erfüllt.STERN PAID 07_24 Schuld ohne Sühne

Scholz hat die deutsche Unterstützung für die Ukraine stets eng mit den USA abgestimmt. Sein Text ist vor allem ein Appell dafür, dass das so bleibt. Man müsse „diesseits und jenseits des Atlantiks weiterhin strategisch im Gleichschritt vorgehen“, schreibt er.

Der Kanzler hat allen Grund zur Sorge. Die Lage in der Ukraine entwickelt sich in eine Richtung, die das gesamte westlichen Bündnis alarmieren müsste. Seit Monaten streiten Regierung und Militärs. Gerade erst hat Präsident Wolodymyr Selenskyj den Oberbefehlshaber ausgetauscht. Nach der gescheiterten Offensive im vergangenen Jahr gelingt es der Armee im Osten des Landes nun noch mit Mühe, die Front zu halten. Nur der kluge Einsatz von Drohnen rettet Selenskyjs Truppen vor relevanten russischen Durchbrüchen und Geländegewinnen. 

Wackelt die Unterstützung des Westens?

Der ukrainischen Armee fehlt so gut wie alles: Soldaten, Panzer, Artilleriemunition. Die Moral stirbt nicht erst im Schützengraben. 

Ausgerechnet in dieser Situation entsteht in Europa und den USA nun ein Eindruck, den Putins Propagandamaschine nicht besser inszenieren könnte: Die Unterstützung des Westens wackelt. Das Problem daran ist, dass es nicht nur ein Eindruck ist. 

Kurz nach der Ankunft, am Tag vor seinem Besuch im Weißen Haus, trifft der Kanzler einige Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses zum Essen, vier von jeder Partei. Serviert wird Felsenbarsch mit Gemüse in Hummersoße. Beim Dinner kann Scholz erleben, wie sein Waffen-Appell in Washington ankommt. Lindsay Graham ist gekommen, einflussreicher der Republikaner, mal Trump-Kritiker, mal Trump-Fan. Aber auch Chris Coons ist da, ein demokratischer Senator, der Scholz so ähnlich sieht, dass die beiden für ein Doppelgänger-Foto posierten.

Hinter den Mitgliedern des Kongresses liegen, vorsichtig ausgedrückt, ereignisreiche Tage. Nach langen Verhandlungen ist am Dienstag eine Einigung zwischen Demokraten und Republikanern im Senat vorerst gescheitert. Um Milliardenhilfen für die Ukraine und für Israel durch den Kongress zu bekommen, hätten sich die Demokraten auf strengere Gesetze für den Grenzschutz zu Mexiko eingelassen. 

Darauf hatten die Republikaner gedrängt – bevor ihnen kurz vor der Abstimmung auffiel, dass ihnen das nicht genug Entgegenkommen war. Nun gibt es weitere Gespräche, wie die Militärhilfen für die Ukraine und Israel beschlossen werden können. Ausgang? Offen. 

Donald Trump kontrolliert die Republikaner 

Er sei zuversichtlich, dass es bald eine Entscheidung geben könnte, sagte Scholz nach dem Treffen mit den Kongressmitgliedern. Die Zuversicht des Kanzlers teilen nicht viele in Washington. Zu lange schon laufen die Verhandlungen. 

Woher die jüngste Kehrtwende der Republikaner kam? US-Präsident Biden hatte den Schuldigen schnell ausgemacht. Donald Trump ist noch nicht einmal offiziell Präsidentschaftskandidaten gewählt worden, da kontrolliert er längst wieder die Partei: Eine Einigung mit den Demokraten wäre nicht gut für Trump? Okay, dann gibt es halt keine.

Gedanken an eine zweite Amtszeit des Ex-Präsidenten lässt Scholz auf dieser Reise nicht zu. Muss er auch gar nicht. Die Zusammenarbeit bei den Militärhilfen ist ja jetzt schon schwer genug – trotz des alten Freundes im Oval Office.

Sollte es keine Einigung im Kongress geben, sagt Biden vor dem knisternden Feuer, dann wäre das „nahe dran an krimineller Fahrlässigkeit“. Scholz nickt nur wieder. Was hätte er dem auch hinzuzufügen.

 

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