Müsste man überall im Land die Partei wählen können, die auch die Bundeskanzlerin stellt? Ja, findet Rainer Roth. Der Rechtsanwalt wohnt in Nürnberg und wählt damit von Bayern aus seine Bundesregierung. Doch die CDU steht im Freistaat nicht zur Wahl; stattdessen könnte Roth seine Stimme der CSU geben. Das ist nicht nur deshalb problematisch, weil die CSU doch inzwischen rechts neben ihrer Schwesterpartei steht und gar nicht für dieselben politischen Ziele steht. Rainer Roth sieht ein weitreichendes Problem und hat Verfassungsbeschwerde beim Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht.
Roth hatte den in Wiesbaden ansässigen Bundeswahlleiter verklagt. Ihn sieht Roth als Verantwortlichen dafür, dass er bei der kommenden Bundestagswahl nicht aber für die CDU stimmen kann – die in Bayern jedoch gar nicht antritt. Roth steht vielmehr hinter der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel statt hinter der des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer.
Dass die Menschen in Bayern nicht für eine solch etablierte Partei wie die CDU stimmen könnten, die auch die Bundeskanzlerin stelle, verletzt nach der Auffassung des Anwalts das Recht auf freie Wahl, das im Grundgesetz festgeschrieben ist.
„Grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit“
Das Verwaltungsgericht sieht indes keinen Verstoß gegen die Artikel 20 und Artikel 38 des Grundgesetzes und damit derzeit keine ausreichende Rechtsgrundlage. Das hat das Gericht am Freitag entschieden. Die CDU könne in Bayern allenfalls über eine Bundesliste gewählt werden, die es aber nicht gebe, weil das Bundeswahlgesetz nur Landeslisten vorsieht. Eine solche Landesliste für Bayern gebe es aber wegen einer Vereinbarung mit der CSU nicht. Das Gericht folgte demnach auch nicht den Argumenten der Kläger, das Verfahren müsse dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden, damit das Wahlrecht so gestaltet werde, dass anstelle der CSU die CDU in Bayern gewählt werden könne.
Roth geht so weit, dass er die bisherigen Bundestagswahlen „eigentlich verfassungswidrig“ nennt. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ hatte der Anwalt erklärt, worum es ihm bei seiner Klage geht: „Seehofers CSU würde ich nicht wählen. Der Stimmenfang bei der AfD sei ihm unbenommen, aber für mich kommt das dann nicht infrage“, sagte er. „Es treibt mich seit Jahren um, dass ich bei Bundestagswahlen nicht CDU wählen darf. Das ist eine Partei, die im Bundestag vertreten ist.“ Dass er kaum eine Chance auf Erfolg haben würde, war ihm selbst bewusst, sagte er der „SZ“. Dennoch betonte er: „Wir leben nicht mehr im Mittelalter, wo man sich auf Gewohnheitsrecht berufen kann. Und dass das alles schon bei den Agilolfingern so gewesen sein soll, möchte ich auch bezweifeln. Gewohnheitsrecht gilt sowieso nicht, wenn eine anderweitige gesetzliche Grundlage vorhanden ist.“
Gegen das Urteil wurde „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit“ Berufung zugelassen, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat. Die Kläger hatten bereits im Deutschlandfunk angekündigt, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
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