Der Aluminium-Tycoon Oleg Deripaska war einmal der reichste Mann Russlands, dann kam die Wirtschafts- und Finanzkrise. Nun verfügt er noch über ein Vermögen von geschätzt 5,1 Milliarden Dollar, Forbes listete ihn im vergangenen Jahr auf Platz 23 der wohlhabendsten Russen.
Dem Oligarchen, der mit seiner Investmentgesellschaft En+ größter Anteilseigner des Aluminiumherstellers Rusal ist, werden gute Beziehungen in den Kreml und zu Präsident Wladimir Putin nachgesagt. Wie gut diese sind, hat nun der für seine Korruptionsenthüllungen bekannte Oppositionspolitiker Alexander Nawalny in einem neuen 25-minütigen Video dokumentiert.
Nawalny-Video auf Russisch (mit englischen Untertiteln):
Nawalny zeigt, wie sich Deripaska auf einer Jacht offenbar vor der norwegischen Küste mit einem Mann trifft, den der Oppositionelle mit Foto- und Stimmenvergleichen als Sergej Prichodko identifiziert hat. Prichodko ist russischer Vizepremier, gilt als einflussreiches Mitglied der Regierung und außenpolitischer Experte, war Berater von Putin.
„Wir haben schlechte Beziehungen zu Amerika. Warum? Weil die Freundin von Sergej Eduardowitsch, Nuland ist ihr Name, für sie verantwortlich ist“, sagt eine Stimme in dem Video, die Nawalny Deripaska zuordnet. „Sergej Eduardowitsch“ ist die respektvolle Bezeichnung für Prichodko, zusammengesetzt aus dessen Vor- und Vatersnamen. „Nuland“ bezieht sich auf Victoria Nuland, die damalige stellvertretende US-Außenministerin unter Barack Obama, zuständig für europäische und eurasische Angelegenheiten.
Präsident Putin, Außenminister Sergej Lawrow (l.) , Prichodko – 2007
Deripaska und Prichodko werden an Deck eingeblendet, wie sie nebeneinander an Bord der Jacht sitzen. Laut Nawalnys Recherchen fand das Treffen im August 2016 statt.
Das Treffen ist insofern erstaunlich, als dass der ehemalige Wahlkampfmanager von Donald Trump, Paul Manafort, dem Oligarchen Deripaska nach Medienberichten einen Monat zuvor in einer E-Mail private Briefings über die Wahlkampagne angeboten hatte. Deripaska bestreitet, solche Briefings erhalten zu haben.
Er bestätigt allerdings, dass er mit Manafort geschäftlich zu tun hatte. Der Lobbyist war unter anderem in der Ukraine aktiv. Manafort beriet den kreml-freundlichen ukrainischen Politiker und späteren Präsidenten Wiktor Janukowitsch, der einer seiner besten Kunden gewesen sein soll. Manafort war auch im Investmentbereich tätig. Inzwischen ist Manafort wegen verschiedener Vergehen, darunter Geldwäsche, angeklagt. Deripaska selbst ist gegen ihn vor Gericht gegangen, wegen angeblichen Betrugs.
Dennoch fragen US-Medien immer wieder nach der Rolle des Oligarchen in den USA. Nach Erkenntnissen der amerikanischen Geheimdienste hat der Kreml den US-Wahlkampf beeinflusst. Deripaska dementiert jegliche Verstrickung, lehnte gegenüber CNN einen Kommentar zu seiner Rolle ab.
Paul Manafort
Bemerkenswert ist, wie der Oppositionspolitiker Nawalny an den Videoausschnitt gelangt ist. Die Sequenz stammt von dem Instagram-Account einer jungen belarussischen Frau namens Nastja Rybka . Sie nennt sich „Model“, ist als Escort-Mädchen tätig. Mit ihren Videos und Bildern geht sie sehr freizügig um, sie sind offen zugänglich. Auf einigen umarmt sie den Oligarchen Deripaska. In einem Video über den Aufenthalt auf der Jacht zeigt sie Bilder des Treffens des Tycoons mit dem russischen Vizepremier.
Der offene Instagram-Account von Nastja Rybka
Wie Nawalny überhaupt auf Rybka aufmerksam geworden ist? Eine Gruppe junger Frauen in Latex-Kleidung hatte das Moskauer Wahlbüro Nawalnys besucht, gefilmt wurde das Ganze für den kreml-nahen Sender Life News. Es sollte wohl eine Provokation sein, die aber nicht funktionierte, denn Nawalny-Anhänger begleiteten die Damen vor die Tür.
Sein Team recherchierte über die Gruppe, zu der auch Rybka gehört. Nawalnys Leute analysierten die Fotos und Videos der Frau und konnten so feststellen, wo sie im August 2016 aufgenommen wurden: auf der Jacht „The Elden“, offenbar vor der norwegischen Küste. Das Boot gehört offiziell Deripaskas Mutter. Es war in der besagten Zeit nahe Molde unterwegs. Nawalny zufolge zeigen Flugdaten zweier privater Jets, die Deripaska zugeordnet werden können, dass die Maschinen in Molde im August 2016 landeten.
Oleg Deripaska mit Nastja Rybka
Zudem berichtet Rybka, die 2017 in einer TV-Show des Staatsfernsehens im vergangenen Jahr auftrat und erläuterte, wie sie Männer „findet“, in einem Buch über ihre Zeit auf der Jacht. Sie beschreibt darin das Gespräch aus dem Videoausschnitt an Bord, nennt die Männer aber nicht bei ihren Namen, sondern „Ruslan“ und „Papa“. Das Treffen sei so geheim gewesen, dass „Papa“ während der Reise von der Jacht ging, weil „er nicht mit ‚Ruslan‘ an Land gehen konnte“, heißt es in Rybkas Buch mit dem Titel „Tagebuch, wie man einen Milliardär verführt“.
„Das ist Bestechung“
Nawalny forderte Putin auf, Ermittlungen aufzunehmen. „Ein Oligarch nimmt einen hochrangigen Regierungsbeamten mit auf seine eigene Yacht – das ist Bestechung“, sagt der Oppositionspolitiker in seinem Video. „Ein Oligarch zahlt all das, einschließlich junger Frauen von Escort-Agenturen. Ob Sie es glauben oder nicht, das ist auch Bestechung.“
Nawalny wurde nicht zur Präsidentschaftswahl am 18. März zugelassen, nachdem er in einem fragwürdigen Prozess zu einer mehrjährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Er ruft zum Wahlboykott auf. Nawalny hat bereits mehrere Videos veröffentlicht, in denen er die Korruption in Russland anprangert – das Video über die Immobilien und Besitztümer von Premier Dimitrj Medwedjew wurde millionenfach geklickt.
Oligarch kündigt Klage an – der Vizepremier spricht von „Provokation“
Rybka meldete sich nach Nawalnys Veröffentlichung als erste zu Wort, und das gleich in mehreren Posts auf Instagram. In einem dankte sie Nawalny für den Hinweis auf ihr Buch. In einem anderen nannte sie das, was auf der Jacht passiert sei, „in Wahrheit eine Gruppenvergewaltigung“. Sie forderte Deripaska auf, sie zu heiraten, sonst würde sie ins Fernsehen gehen.
Oligarch Deripaska kündigte am Freitag an, Nawalny verklagen zu wollen, weil er „unwahre Behauptungen“ verbreite, „die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben“. Er schrieb auf Instagram, er werde alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um gegen die Verbreitung in den Medien vorzugehen. Die russischen Medien berichteten gar nicht – oder wenn – nur kurz über Nawalnys Video. Die staatliche russische Internetaufsicht „Roskomnadzor“ forderte inzwischen das Internetportal Meduza auf, Fotos aus Nawalnys Film zu löschen. Es hat über das Video ausführlich berichtet. Ein Gericht im Süden verbot Nawalnys Video gar, es sei verboten, es in Russland zu verbreiten.
Prichodko äußerte sich in der Zeitung „RBK“: Er nannte Nawalny nicht beim Namen, sprach aber von einem „politischen Verlierer“, der sich mit einer „Provokation erneut zu inszenieren versucht“. Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow lehnte einen Kommentar ab.
Read more on Source