Eine Woche vor der Kommunalwahl haben in Moskau erneut Tausende Menschen demonstriert. Sie versammelten sich am Samstag trotz eines Verbots, um faire und freie Wahlen einzufordern.
Anders als in den Vorwochen hielt sich die Polizei zurück und ließ die Demonstranten durch das Zentrum der russischen Hauptstadt ziehen. Berichte von Festnahmen gab es bis zum Nachmittag nicht. dpa-Reporter sprachen von einer friedlichen und entspannten Atmosphäre.
Zu der als Spaziergang deklarierten Protestaktion rief eine der führenden Oppositionellen, Ljubow Sobol, auf. Sie nahm an dem Marsch teil, umringt von vielen Journalisten. Sie sagte: «Die wichtigste Forderung ist die Freilassung politischer Gefangener.» Sie rief die Moskauer dazu auf, Wahlbeobachter bei der Abstimmung am Sonntag (8. September) zu werden. «Haben Sie keine Angst! Wir werden siegen!»
Die Staatsanwaltschaft hatte Sobol zuvor gewarnt, die Proteste seien unzulässig. Im Falle eines Verstoßes werde sie zur Verantwortung gezogen. Es war deshalb mit Festnahmen gerechnet worden. Proteste gab es auch in der nordrussischen Stadt St. Petersburg.
Die Polizei sprach am Nachmittag von 750 Teilnehmern in Moskau. Beobachter gingen jedoch von einer deutlich höheren Zahl aus. Fast zeitgleich hätten dagegen rund 20 000 Menschen ein von der Stadt organisiertes Musikfestival besucht, meldete die Agentur Interfax.
Die Demonstranten skandierten auf ihrem Weg zum Puschkin-Platz zum Beispiel «Das ist unsere Stadt». Mit Blick auf Präsident Wladimir Putin riefen sie etwa «Russland ohne Putin» und «Putin ist ein Dieb!». Auf Plakaten wurde gefordert, inhaftierte Oppositionelle und Demonstranten freizulassen. Viele Autofahrer hupten aus Solidarität.
Nach Ende Aktion zogen viele Polizisten am Puschkin-Platz auf, um zu verhindern, dass Teilnehmer in Richtung Rathaus zogen. Einigen sei das aber gelungen, berichteten russische Medien. Auch dabei schritt die Polizei nicht ein. Eine Demonstrantin sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir können sehen, dass dies ein friedlicher Spaziergang war.» Bei dieser Art von Protest sei keine Polizei nötig.
Die Behörden hatten zuletzt mehrere von Oppositionellen angemeldete Demonstrationen abgelehnt und nur eine Kundgebung außerhalb des Stadtzentrums genehmigt. Dies aber lehnten die Organisatoren ab. Sie scheiterten mit einem Einspruch vor Gericht. An den vergangenen zwei Wochenenden hatte es einzelne Mahnwachen gegeben.
Bei nicht erlaubten Aktionen hatte die Polizei von Ende Juli bis Mitte August Tausende Demonstranten in Gewahrsam genommen. Das sorgte international für Kritik. Auch in anderen Städten gingen Menschen aus Solidarität für das Anliegen der Moskauer Opposition auf die Straßen.
Sie will mit den Protesten erreichen, dass alle Kandidaten zur Stadtratswahl am 8. September zugelassen werden. Regierungskritiker sind dort wegen angeblicher Formfehler bei ihren Anträgen nicht zugelassen. Dazu gehören neben Sobol auch die prominenten Kremlkritiker Ilja Jaschin und Dmitri Gudkow. Zum anderen prangern die Demonstranten die Polizeigewalt gegen friedliche Teilnehmer an.
Einflussreiche Oppositionelle saßen zuletzt Arreststrafen ab. Der Justiz wird vorgeworfen, damit verhindern zu wollen, dass die Opposition vor den Kommunal- und Regionalwahlen in Russland nicht noch mehr Menschen mobilisiert. Mitte August kamen mehr als 50 000 Menschen zu einer genehmigten Kundgebung in Moskau.
Während Kremlkritiker Alexej Nawalny vor gut einer Woche nach einer 30-tägigen Arreststrafe wieder frei kam, wurde Jaschin am vergangenen Mittwoch nach seiner Freilassung direkt am Gefängnis wieder festgenommen. Ein Gericht verurteilte ihn wenig später zu zehn Tagen Arrest – das fünfte Mal hintereinander.
Nawalny wirbt nun für ein «kluges Abstimmungsverhalten» bei der Wahl, um eine Mehrheit kremltreuer Kräfte im Stadtparlament zu verhindern. Er stellte eine Liste mit entsprechenden Wahlempfehlungen auf. Er rief dazu auf, seine von ihm erstellte Liste mit den 45 Namen – so viele Abgeordnete hat das Stadtparlament – zu unterstützen. Unter ihnen sind auch einige regierungskritische Kandidaten.
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