Donald Trump ist kein Ideologe – daher ist es so schwer zu sagen, was die nächsten Jahre bringen werden. Anders als Jarosław Kaczynski in Polen oder Victor Orbán in Ungarn hat er keinen detaillierten Plan dafür, die Demokratie zu schwächen und liberale Institutionen zu zerstören. Es ist also nicht unmöglich, dass er sich als überraschend konventioneller — oder schlicht einzigartig ineffektiver — Präsident entpuppen wird.

Aber das ist leider unwahrscheinlich. Der berühmte Politikwissenschaftler Juan Linz hat vor vielen Jahren die Warnzeichen erarbeitet, anhand derer wir Politiker, die der Demokratie gefährlich werden, erkennen können. Laut den Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt trifft jedes dieser Kriterien voll auf Trump zu. Unter anderem verweigert sich der angehende Präsident „nicht unzweideutig der Gewalt; ist bereit, die Rechte seiner politischen Rivalen zu untergraben; und stellt die Legitimät der gewählten Regierung infrage.“

Vielleicht wird Donald Trump die Meinungsfreiheit nie unterwandern. Vielleicht wird er seinen Untergesetzten nie befehlen, illegale Maßnahmen zu treffen. Vielleicht wird er sich nie weigern, eine Entscheidung des Verfassungsgerichts zu befolgen. Vielleicht wird er nie einen Krieg anzetteln, um sich die Wiederwahl zu sichern. Und vielleicht wird er nie seine politischen Rivalen ins Gefängnis schmeißen oder den Wahlausgang verfälschen.

Aber all diese Horrorszenarien sind nun echte Möglichkeiten. Die Amerikaner müssen daher dringendst die Kunst des Widerstands erlernen. Hier sind meine ersten Gedanken — zunächst für ein amerikanisches Publikum geschrieben, und noch viel zu vage, aber immerhin ein Anfang — wie Amerikaner die liberale Demokratie vor dem Verfall bewahren können:

Yascha Mounk

1982 in München geboren, studierte in Cambridge und ist jetzt Dozent für Politikwissenschaft an der Harvard University. Er schreibt als freier Publizist für mehrere Tageszeitungen. Zuletzt erschien in Deutschland sein Buch Echt, Du bist Jude?.

1. Wir akzeptieren Trumps Sieg. Wie sehr er uns auch Angst machen mag, erkennen wir seine freie Wahl als Kernteil des demokratischen Prozesses an. Aber wir wissen auch, dass es viele Dinge gibt, die ein gewählter Präsident nicht machen darf, und wir werden diese rote Linie wachsam verteidigen. Sobald Trump gegen die Verfassung verstößt, werden wir in voller Stärke auf die Straße gehen — und dort bleiben bis er seine illegalen oder unmoralischen Vorhaben aufgibt.

2. Die Presse spielt im Kampf um das Überleben der freien Rede eine besonders wichtige Rolle. Sie muss der Wahrheit verschrieben bleiben. Aber gerade aufgrund dieses Bekenntnisses zur Wahrheit muss mit falschen Äquivalenzen — die in den USA lange zum Standardrepetoir des seriösen Journalismus gehörten — Schluss sein.  Zeitungen müssen aufhören, Lügen kommentarlos wiederzugeben, oder bei Themen wie dem Klimawandel jeweils eine Meinung von Wissenschaftlern und Leugnern einzuholen.  Zwischen einem Möchtegern-Tyrannen und der demokratischen Opposition gibt es keine neutrale Position. Jeder, der in der heutigen Situation die vorgeblich unparteiischen Konventionen des alten amerikanischen Journalismus weitertreibt, schaufelt an seinem eigenen Grab.

3. Um einen Möchtegern-Tyrannen zu bekämpfen, muss man oft mit seltsamen Mitstreitern ins Bett steigen. In den nächsten Jahren wird es darauf ankommen, die breitest mögliche Koalition gegen Trump zu schmieden. Diese Koalition wird große interne Spannungen haben. Mitt Romney wird ihr ebenso zugehören wie Barack Obama, die linksradikale Jill Stein ebenso wie Glenn Beck, der geläuterte Lieblingsmoderator der Tea Party. Das geht in Ordnung, denn unser gemeinsames Ziel ist es, auf eine Zukunft hinzuarbeiten, in der diese Unterschiede wieder in den Vordergrund treten können.

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