Angeblich ist Rumäniens Regierungschef der illegitime Sohn des Börsenmilliardärs George Soros. So verbreitete es zu Wochenanfang eine obskure rumänische Webseite. Die Nachricht geisterte durch die sozialen Netzwerke und Internet-Medien des Landes – so massiv, dass sich Dacian Ciolos absurderweise zu einem Dementi gezwungen sah. Natürlich sei er nicht Soros‘ Sohn, sagte der rumänische Ministerpräsident, mehr noch, er habe den Börsenmilliardär bisher auch niemals persönlich getroffen.

Soros ist in Osteuropa eine mächtige Propagandawaffe – in den Händen von Nationalisten, Demagogen und Populisten. Sie verwenden den Namen „Soros“ als Synonym für Vaterlandsverrat. Der Tenor dabei: Die „jüdische Welt-Hintergrundmacht“ mit Soros an der Spitze bezahle überall Politiker, zerstöre nationale Kulturen und versklave ganze Länder.

So hört man es dieser Tage auch im Wahlkampf in Rumänien und Mazedonien, wo an diesem Sonntag jeweils Parlamentswahlen anstehen. Im Vorfeld fiel nicht nur der Name Soros in Diffamierungskampagnen gegen demokratische Politiker, Bürgeraktivisten oder Anti-Korruptionsermittler. In beiden Ländern sind die Wahlfavoriten nationalistisch-populistische Parteien, die in ihren Kampagnen mit den für sie einschlägigen Themen Stimmung gemacht haben: Es geht gegen liberale Werte, die abendländische Demokratie, die Europäische Union und ihre Grundwerte, gegen Flüchtlinge, Homosexuelle, Vaterlandsverräter und Atheisten.

Die Entwicklung beider Länder folgt damit dem allgemeinen politischen Trend der Region. In einer Mehrzahl der mittel- und südosteuropäischen Länder sind inzwischen verschiedenste nationalistische oder populistische Kräfte an der Macht oder zumindest an ihr beteiligt.

Rumänien galt in den vergangenen Jahren als „Insel der Normalität“. Es habe das dem nationalistisch-populistischen Druck widerstanden, so die Lesart des deutschstämmigen Staatspräsidenten Klaus Johannis. Tatsächlich gibt es derzeit keine explizit rechtspopulistische oder rechtsextreme Partei im rumänischen Parlament. Doch der große Wahlfavorit, die „Sozialdemokratische Partei“ (PSD), die in Umfragen auf mehr als 40 Prozent kommt, ist nur dem Namen nach sozialdemokratisch. Ursprünglich ein Sammelbecken für Wendekommunisten, ist die PSD, wie es der Politologe Cristian Pirvulescu ausdrückt, eine „korrupte, opportunistische Partei mit einem chronisch nationalistischen Diskurs“.

So thematisieren PSD-Politiker etwa durch zahlreiche perfide xenophobe Bemerkungen immer wieder die nicht-rumänische Abstammung von Staatspräsident Johannis. Die PSD sieht sich als Bündnispartner der einflussreichen, stark antieuropäisch und antiliberal ausgerichteten orthodoxen Kirche und unterstützt deren homophobe Kampagne „Koalition für die Familie“. Der ehemalige Regierungschef Victor Ponta, auch PSD-Mitglied, betreibt seit längerem auch Wahlkampf für die rechtsextreme „Partei Vereintes Rumänien“ (PRU). Die 2015 gegründete Abspaltung nationalistischer PSD-Politiker könnte laut Umfragen nun erstmals ins Parlament einziehen.

„Mafia-Regime“ in Mazedonien

Der Erfolg der PSD erklärt sich zum einen mit ihren wirkungsvollen Appellen an die Ressentiments traditionalistischer Wähler, zum anderen mit ihren tiefen Verankerung in lokalen Strukturen. Vor allem in ländlichen Gegenden gilt sie als die Partei, die trotz aller Korruptionsaffären mittels kleinteiliger Sozialmaßnahmen wie Rentenerhöhungen „auch an die einfachen Menschen denkt“, wie es verbreitet heißt. „Rumäniens Problem ist, dass es keine wirklichen Demokraten hat“, resümiert der Politologe Pirvulescu und prognostiziert deshalb, dass der „antieuropäische und antiliberale Kurs im Land weiterhin bestimmend sein wird“.

Ähnliches dürfte für Mazedonien gelten, das der Publizist Saso Ordanoski als „eines der erfolgreichsten Laboratorien des Populismus in Europa“ bezeichnet. In dem Zwei-Millionen-Land im Herzen des Westbalkan regiert seit 2006 die nationalistisch-populistische Partei VMRO-DPMNE mit dem starken Mann Nikola Gruevski an der Spitze. Der wandelte sich vom einstigen liberalen Reformpolitiker zum chauvinistisch-großmazedonischen Rethoriker. Unter dem Deckmantel dieser Ideologie hat Gruevski ein „Mafia-Regime“ (Ordanoski) geschaffen, in dem er und seine Partei den Staatsapparat, die Justiz, die Medien und die Wirtschaft nahezu vollständig kontrollieren.

Nach massiven Wahlfälschungen im Frühjahr 2014 stürzte Mazedonien in eine tiefe Krise. Die sozialdemokratische Opposition rief einen Parlamentsboykott aus, zugleich forderte eine breite Bürgerbewegung seit Herbst 2014 nachdrücklich, aber letztlich erfolglos eine Demokratisierung des Landes. Weil Mazedonien zwischenzeitlich vor der Perspektive bürgerkriegsähnlicher Unruhen stand, schaltete sich die EU als Vermittlerin zwischen Regierung und Opposition ein – auch aus Eigennutz, denn das Land dient unter anderem als Bollwerk gegen Flüchtlinge auf der Balkanroute. Die EU-Mitglieder haben daher größtes Interesse an stabilen Verhältnissen in Mazedonien.

Die Zeichen im Land stünden auf Veränderung, sagt der mazedonische Publizist Saso Ordanoski. Viele Menschen seien unzfrieden mit dem „Mafioso Gruevski“ und seinem Regime. Kein Wunder: Mazedonien ist eines der ärmsten Länder Europas, die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell 25 Prozent, zugleich leistet sich das Gruevski-Regime Vorhaben wie „Skopje 2014“ – ein viele hundert Millionen Euro teures, korruptionsbelastetes Archtitektur-Projekt zur pseudoantiken Umgestaltung der mazedonischen Hauptstadt.

Dennoch könnte es für einen Regimewechsel nicht reichen – in Umfragen ist die Gruevski-Partei mit über 40 Prozent der Stimmen der knappe Wahlfavorit. Einer der Gründe dieses Erfolges liegt darin, dass Gruevskis Partei und der Staat die Hauptarbeitgeber im Land sind und die Existenz Hunderttausender damit von ihnen abhängt.

Ginge es nach Gruevski, dann würde er nicht nur weiterhin an der Macht bleiben, sondern auch kurzen Prozess mit der Opposition machen. Während einer Wahlkampfveranstaltung sprach er diese Woche eine indirekte Morddrohung gegen den sozialdemokratischen Oppositionsführer Zoran Zaev aus. Wenn die mazedonischen Revolutionäre des 19. Jahrhunderts noch lebten, so Gruevski, hätten sie einfach jemanden zu Zaev geschickt, um „die Sache zu beenden“.

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