US-Wahl 2016
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Noch bevor sich die Seite des Nachrichtenportals „Breitbart News“ öffnet, wird deutlich, was für ein Tag der 8. November 2016 für die Macher ist. „HISTORY“ steht in weißen Buchstaben auf einem roten T-Shirt, per Klick landet ein Exemplar der „limitierten Auflage“ im digitalen Einkaufswagen. Das Datum gehöre ins Geschichtsbuch, als der Tag, an dem „Amerika aufgestanden ist und gesagt hat… genug“.

Die politische Erfolgsgeschichte von Donald Trump ist eng mit der Seite und ihrem früheren Macher verbunden: Stephen Bannon. Mit jeder Stimme für Trump ist der 62-Jährige am Wahltag seinem persönlichen Ziel einen Schritt näher gekommen: das politische Establishment in Washington zu zerstören.

Dafür hat Bannon in den vergangenen zwei Jahren einiges getan: Er unterstützte Trump, bevor es andere taten, und er machte aus Breitbart.com einen Propaganda-Arm des Rechtspopulisten. Schon vor einem Jahr nannte ihn das Medienunternehmen Bloomberg „einen der gefährlichsten politischen Strategen der USA“.

Enttäuscht von Carter, enttäuscht von Bush

Es gab eine Zeit, da stand Bannon den US-Demokraten wohl näher als den Konservativen oder gar Rechtsradikalen. „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, irisch-katholisch, pro Kennedy, pro Gewerkschaften, eine Familie voller Demokraten“, sagte er einmal über sich.

Erst der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter habe ihn politisiert. Bannon war enttäuscht von der Politik des Demokraten, weil dieser seiner Meinung alles versemmeln würde, am meisten, wie Carter in der iranischen Geiselaffäre agierte – er orientierte sich neu: „Ich wurde ein großer Fan von Reagan – und bin es immer noch.“ Aber auch die Republikaner machten es ihm nicht recht, allen voran George W. Bush im Weißen Haus. Als dann auch noch die Finanzkrise kam, reichte es Bannon.

Die Geschichte von Bannon könnte also stellvertretend für die vieler wütender weißer US-Amerikaner stehen. Mit einem entscheidenden Unterschied: Er hat Geld und Einfluss. Bannon studierte an der Harvard Business School, war bei einer Spezialeinheit der US Navy, Investmentbanker bei Goldman Sachs, produzierte Hollywoodfilme und machte als Produzent der Serie „Seinfeld“ ein Vermögen.

Dieses Geld nutzte er unter anderem, um einen Film über die Clintons zu drehen und sich an der Nachrichtenseite Breitbart.com zu beteiligen. Gründer Andrew Breitbart wusste durchaus, wen er sich da ins Boot holte: Er nannte Bannon mal die Leni Riefenstahl der Tea-Party-Bewegung. Nach dem plötzlichen Tod des Gründers wurde Bannon CEO. Im August erst machte Trump ihn dann zu seinem Wahlkampfleiter.

Er sollte dem bis dahin stockenden Wahlkampf neue Impulse geben und Zielgruppen anlocken, die gewöhnlich keine Trump-Unterstützer sind: Latinos, Schwarze – und vor allem Frauen. Trump störte sich dabei offenbar nicht daran, dass Bannon selbst belastet war. Er gilt als cholerisch und unberechenbar.

Kurz nach seiner Ernennung berichtete die „New York Times“, dass gegen Bannon 1996 wegen häuslicher Gewalt ermittelt worden war. Bannons damalige Ehefrau klagte, er habe sie in ihrem gemeinsamen Haus in Santa Monica, Kalifornien, angegriffen. Er habe gedroht, wenn sie den Vorfall öffentlich mache, würde er mit seinen Anwälten dafür sorgen, dass sie als Schuldige verurteilt würde. Nicht er. Und sollte er doch schuldig gesprochen werden, würde er dafür sorgen, dass sie und die Zwillingskinder nach einer Scheidung keinen Cent an Unterstützung sehen würden.

Obwohl er für Trump um Frauen werben sollte, hat er offenbar keine allzu hohe Meinung von ihnen. Gretchen Carlson, die dem früheren „Fox News“-Chef Roger Ailes sexuelle Belästigung vorwarf, bezeichnete er als „total dämlich“. Überhaupt wittert er überall „militant-feministische zerstörerische Truppen, die auch noch legal“ seien.

Sprachrohr der Rechten

Seinen Frust lebte Bannon viele Jahre später auf der Seite „Breitbart“ aus. Er habe sie zum Sprachrohr der Rechten gemacht, schrieb die „Washington Post“. Nachdem im Juni 2015 ein weißer Mann in einer Kirche in Charleston aus Hass neun Schwarze erschossen hat, titelte „Breitbart“: „Zeigt sie hoch und stolz: Die Flagge der Konföderation verkündet ein glorreiches Erbe.“ Die als „Rebellenflagge“ oder „Südstaaten-Flagge“ bekannte Fahne wird oft von den Rechten Amerikas durch die Straßen getragen.

Welcher Ton unter Bannon in der Redaktion von „Breitbart“ akzeptiert war, zeigte sich unter anderem nach dem Terroranschlag von Nizza. Eine Redakteurin der Nachrichtenseite nutzte den #PrayforNice, um ihre rassistischen und islamophoben Ansichten zu verbreiten. Unter anderem forderte sie auf Twitter, als Konsequenz alle Muslime abzuschieben.

„Breitbart“ versteht sich selbst als alternatives Onlinemedium. Bannon wird noch deutlicher: Es sei die „Plattform für die alternativen Rechten“, sagte er kürzlich stolz. „Alt-Right“, das klingt zunächst harmlos, doch die Bewegung zeichnet sich durch rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Positionen aus, ihr werden Verbindungen zur rechtsradikalen „Identitären Bewegung“ in Deutschland und Österreich nachgesagt.

Auf Expansionskurs

Die Seite bietet all denen eine Plattform, denen die konservativen „Fox News“ zu liberal erscheinen: Rednecks, Anhängern der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung, Neonazis. Das sei „kein Journalismus sondern Medianaktivismus“, sagte „BuzzFeed“-Chefredakteur Ben Smith über „Breitbart“. „Bannon kann über beinahe jeden gemeine Dinge erzählen“, sagte Hillary Clinton. „Breitbart“ ging auch gegen etablierte Republikaner vor, wie den Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan. Alles, was irgendwie nach gefestigten Strukturen, nach Karriere, nach alter Macht riecht, hasst Bennon.

Seine Agenda könnte Bannon bald im Weißen Haus weiter verfolgen. Er wird derzeit als Trumps künftiger Stabschef gehandelt. Und auch für „Breitbart“ dürfte der 8. November mittelfristig nur ein Zwischenerfolg sein: Das Portal will expandieren. Wütende Weiße, die sich Rechtspopulisten zuwenden, gibt es derzeit nicht nur in den USA. In London wurde pünktlich zum Brexit bereits eine Redaktion eingerichtet.

Angelockt vom wachsenden Zuspruch zu rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien wie dem Front National oder der AfD wirbt Chefredakteur Axel Marlow bereits Journalisten in Frankreich und Deutschland an. Das neue Ziel: Rechtspopulistische Politiker in Europa unterstützen.

Bannons Ernennung zu Trumps Wahlkampfmanager habe Krieg bedeutet, und alle hätten es gewusst, schrieb die politische Website „The Hill“. Ein früherer Mitarbeiter Bannons beschrieb ihn im August in der „Weltwoche“ als „konservativen Flammenwerfer“: „Das Washingtoner Establishment sollte gewarnt sein: Bannon verliert nicht gern Kriege.“

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