Florida. Immer wieder Florida. George W. Bush gewann den Bundesstaat 2000 mit nur 537 Stimmen Vorsprung vor Al Gore. Barack Obama gewann ihn vor vier Jahren knapp gegen Mitt Romney. Diesmal war Hillary Clinton Favoritin. Clinton, so glaubten die Demokraten, würde Florida endlich mal klar gewinnen, mit zwei bis drei Prozent Vorsprung.

Und nun das.

Die Gäste der Wahlparty im „Mighty“, einer Bar in Miamis Süden, starren ungläubig auf die Bildschirme: Links läuft CNN, laut Donald Trump der Haussender der Demokraten. Rechts läuft Fox News, der Haussender von Donald Trump. Im Lauf der Nacht hat Trump seinen Vorsprung vor Clinton immer weiter ausgebaut. Scharen von Hispanics (die Trump kollektiv beleidigt hatte) – sind nicht zur Wahl gegangen. Scharen von Afroamerikanern auch nicht. Stattdessen wählten vor allem die Leute vom Land, weit entfernt von Miami. Die Bauern. Die Arbeiter. Die Arbeitslosen. Die Landbevölkerung erteilte den kosmopolitischen Großstädtern eine Lektion. 72 Prozent der Weißen ohne Uni-Abschluss haben Trump gewählt.

Im prall gefüllten Saal sind nur Weiße und einige Hispanics vertreten. Die meisten sind Studenten, einige auch Angestellte. Etwa die Hälfte, vor allem junge Männer, sind Anhänger von Trump. Die andere Hälfte, eher Frauen, Anhänger von Clinton. Entsetzen auf der einen Seite. Jubel auf der anderen. Aber es ist ein merkwürdiger Jubel. Voller Unglauben. Selbst Trumpianer können diesen Sieg nicht fassen.

Mittendrin steht Jorge Martinez, 28 und taucht einen mexikanischen Taco in rote Soße. Er hat Donald Trump nicht so sehr aus Überzeugung gewählt, obwohl er wie Trump gegen Abtreibung ist. Er hat ihn gewählt, weil er irgendwie alles satt hat.

Was denn?, frage ich ihn.

„Irgendwie alles.“

Ja, aber was genau?

„Die Leute in Washington. Die uns regieren, die sind völlig abgehoben. Hillary Clinton ist seit 30 Jahren dabei. Wer will die noch sehen?“

Niemand hier kann die Inhalte von Trumps Politik benennen

Die Gespräche mit Trumps Unterstützern enden oft an dieser Stelle. Keiner hier kann die Inhalte seiner Politik benennen. Ihr Hauptargument lautet, dass sie Hillary Clinton nicht ausstehen können und dass Trump alles besser machen wird. „Auf jeden Fall fühle ich mich nicht mehr ohnmächtig“, sagt Martinez. „Ich kenne eine Menge Leute, die nicht groß drüber sprechen, die Trump eher still und leise gewählt haben. Das waren die Sleeper Cells.“

Die Wahlparty hier im „Mighty“ ist die einzige in der Stadt, die als überparteilich angekündigt wurde. Die Republikaner feiern unter sich in einem edlen Hotel, die Demokraten in verschiedenen Restaurants und Bars. Das ganze Land ist tief gespalten und wird es nach dieser Wahl umso mehr sein. Auch die Veranstalter des „Mighty“ haben auf Postern eindringlich gewarnt: „Benehmt Euch heute. Menschen unterschiedlicher politischer Haltung können durchaus Freunde sein. Alle müssen höflich zueinander sein – oder wir fordern unsere Tacos zurück – aus Euren Bäuchen.“

Martinez greift sich eine rote Girlande. Die Hälfte des Saals ist in Rot geschmückt (Farbe der Republikaner), die Hälfte in Blau (Farbe der Demokraten). Zwei Pappfiguren stehen bereit für Fotos: Hillary Clinton und Donald Trump. Trump ist begehrter bei den Gästen. Aber sie umarmen die Figur nicht. Sie machen Faxen neben ihr. Als könnten selbst seine eigenen Anhänger ihn nicht ernst nehmen.

Durch den Saal ziehen dänische und holländische Journalisten und können dieses Amerika nicht fassen. Sie interviewen sich gegenseitig. Sie fragen die Frauen, ob sie das fassen können – einen Pussygrapscher als Präsidenten zu bekommen. Einen Rassisten und Frauenfeind. Die Freunde der Frauen finden, die Journalisten gehen mit diesen Fragen etwas weit.

Und dann räumte Trump ab

Von Trump war den ganzen Tag nichts zu sehen hier im Süden Miamis. Keine Wahlkampfschilder vor den Schulen, keine Truppen, die von Tür zu Tür ziehen. Es war wie dieser ganze Wahlkampf: große Sprüche, aber wenig dahinter. So schien es jedenfalls. Und dann räumte er ab.

Neben Martinez steht sein Freund Juan. Er könne Trump nicht ertragen, sagt er, aber er habe auch nicht gegen ihn gestimmt und keine große Lust zum Wählen heute gehabt. Clinton habe ihn auch nicht überzeugt, „die hat auch irgendwelche Leichen im Keller“.

Diese apathische Haltung könnte Trump zum Sieger machen, sagen wir ihm.

„Glaube ich nicht“, sagt er. „So weit wird es schon nicht kommen.“

Zwei Stunden später ist es wahr.

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