Offizielle Dokumente, Kaufverträge, Dossiers: Es ist ein ganzer Stapel an geleakten Papieren, die zeigen, wie der mittlerweile weltbekannte Putin-Palast am Schwarzen Meer herumgereicht wurde – von einem Freund des Kreml-Herren zum nächsten. 

Auf einem steilen Ufer des Schwarzen Meeres thront das größte Privathaus Russlands – wenn man den Angaben in offiziellen russischen Registern Glauben schenkt. Ein Palast der Superlative: Ausgestattet mit Extravaganzen wie einer unterirdischen Eishockey-Halle, einem Amphitheater, einer Orangerie und einer Aqua-Diskothek. Im Januar dieses Jahres erlangte das Anwesen Weltberühmtheit. Denn in dem kleinen Königreich auf 68 Hektar Land herrscht kein geringerer als Wladimir Putin. 

Die Existenz dieses Anwesens ist bereits seit mehr als zehn Jahren bekannt. Und einst leugnete es der Kreml nicht einmal, für wen der Protzbau bestimmt war.

Nawalny macht Putin-Palast weltbekannt 

Alexej Nawalny brachte Anfang des Jahres den in Vergessenheit geratenen Palast wieder auf die Agenda. In einem zweistündigen Film rekonstruierte er nicht nur das imperialistische Interieur des Anwesens, sondern deckte auch das ausgeklügelte System auf, mit dem die Besitzverhältnisse verschleiert werden sollten. Nun belegen neue Dokumente, die der BBC vorliegen, die Recherchen des Oppositionspolitikers, der mittlerweile seit mehr als drei Monaten in Russland im Gefängnis sitzt.

Das Material enthält offizielle Dokumente des Bauunternehmens, das für die Errichtung des Palasts verantwortlich war, Kaufverträge und Besprechungsunterlagen. Die geleakten Unterlagen weisen die Schlüsselrolle des russischen Staates beim Bau nach und zeigen die Finanzierungsquellen auf. Dabei decken die Dokumente den Zeitraum von Mitte der 2000er Jahre, als mit dem Bau begonnen wurde, bis Anfang der 2010er Jahre ab. Ganz genau zeichnen sie den Wechsel der offiziellen Besitzer im Jahr 2011 nach.

„Uns war klar, dass dieses Objekt nicht persönlich auf Putin registriert werden konnte“

Das Entscheidende ist aber: Die Dokumente spiegeln wider, dass alle Männer, die auf dem Papier als Eigentümer des Palasts aufgeführt wurden, von den Menschen, die den Protz-Bau errichteten, als nominell behandelt wurden. Während der tatsächliche Besitzer sich hinter dem Geflecht aus Strohmännern versteckte. 

„Uns war klar, dass dieses Objekt nicht persönlich auf Putin registriert werden konnte“, zitiert die BBC eine Quelle, die an dem Bau beteiligt war. „Sein Name wurde bei den Besprechungen nicht erwähnt, wir nannten ihn scherzhaft Chef“. 

„Der offizielle Besitzer [des Palastes] war Schamalow. War er ein Strohmann? Diese Frage haben wir intern nicht besprochen, aber die Antwort war für uns offensichtlich“, berichtet ein anderer Projektmitarbeiter. „Eine mehr oder weniger vernünftige Person braucht ein solches Objekt nicht, weil man es nicht nutzen kann.“ teaser

Erster Skandal und erster Besitzerwechsel 

Die Rede ist von Nikolaj Terentjewich Schamalow, einem alten Freund Putins. In den internen Dokumenten wird er schlicht als Sch. oder SchNT – seine Initialen – geführt. In einem Papier zu den „Hauptproblemen des Projekts“ vom Februar 2011 heißt es wörtlich: „Der formelle Eigentümer der an der Realisierung des Projekts beteiligten Unternehmen ist eine Einzelperson (Sch.). Dieselbe Person ist für die Betriebsführung des Projekts verantwortlich (im Folgenden als Manager bezeichnet)“. Das Papier sei für einen Rapport an Regierungsvertreter vorbereitet worden, erzählte eine Quelle der BBC.

Als Problem wurde in demselben Dokument folgender Umstand identifiziert: „Der Umfang des Projekts (das Ausmaß der Bauarbeiten und das Volumen der gesammelten Mittel) entspricht nicht dem finanziellen und sozialen Status des Managers.“

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Schamalow hat es bislang nur ein einziges Mal in die Forbes-Liste der 200 reichsten Geschäftsleute Russlands geschafft. 2011 belegte er mit einem Vermögen von einer halben Milliarde Rubel den 198. Platz. Schamalow ein ehemaliger Zahnarzt, der 15 Jahre lang in der russischen Repräsentanz von Siemens arbeitete, hatte zu jenem Zeitpunkt offiziell nur einen großen Vermögenswert – einen Anteil von 10 Prozent an der Bank Rossiya. Den geleakten Dokumenten zufolge reichte dies nicht aus, um weiter als Eigentümer des Objekts aufgeführt zu werden.

Damals verursachte der Palast zum ersten Mal einen Skandal. Der Unternehmer und Vertraute Putins, Sergej Kolesnikow, hatte aus dem Nähkästchen geplaudert und Verträge und andere Dokumente in Zusammenhang mit dem Bau veröffentlicht. Das Projekt sei im Auftrag von Wladimir Putin von Schamalow entwickelt worden, verriet Kolesnikow, nachdem er ins Ausland geflohen war. 

Wie sein langjähriger Partner war auch Kolesnikow an dem Bau des Palasts beteiligt. Aber dann sei ihm klar geworden, dass „das Land auf einen Abgrund zusteuert und wir […] nicht länger warten können“, erklärte er seinen Schritt in einem Interview mit der unabhängigen Zeitung „Nowaja Gazeta“.

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Lösung des Problems: ein Milliardär 

Die darauffolgende Empörung war aber so groß, dass der Kreml in aller Eile einen Verkauf abwickelte. In dem nun geleakten Papier wurde empfohlen, „die Vermögenswerte an einen neuen Eigentümer zu verkaufen, der über die erforderlichen finanziellen und organisatorischen Fähigkeiten verfügt“. Die Wahl fiel auf den Milliardär und Putin-Getreuen Alexander Ponomarenko. Er wolle ein Hotel aus dem Palast machen, verkündete dieser. 

„Warum Ponomarenko? Ich denke, weil er legales Einkommen hatte, um ein solches Objekt in der Theorie finanzieren zu können, während dies bei Schamalow nicht der Fall war“, erklärte ein Informant nun der BBC, der direkt am Bau des Palastes beteiligt war. Darüber hinaus war Ponomarenko Geschäftspartner von Arkadij Rotenberg. Und das Offshore-Unternehmen, das in der Vergangenheit mit der Familie des Oligarchen verbunden war, gehörte zu den Hauptkreditgebern des Projekts.

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Am 18. Februar 2011 verkaufte Schamalow seine 49 Prozent an dem Palast an Ponomarenko. 4,9 Millionen Rubel bekam er dafür, wie ein Kaufvertrag belegt. Zum damaligen Kurs waren das umgerechnet circa 122.500 Euro – eine lächerlich kleine Summe gemessen an dem Wert der Anlage, der mit mindestens 1,3 Milliarden Euro beziffert wird. 

Zehn Jahre nach dem Besitzerwechsel ist der Palast immer noch ein Palast und kein Hotel. Nur als Besitzer wird heute ein anderer Freund des russischen Präsidenten aufgeführt: Arkadij Rotenberg. 

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