Die Talkshows von ARD und ZDF werden aktuell erneut für ihre Themensetzung kritisiert. Zu oft seien Flüchtlinge das Thema, nicht selten mit einem vorverurteilenden, negativ konnotierten Ton im Sendungstitel, so der Vorwurf. Jüngst entzündete sich die Debatte an der „Hart aber Fair“- Sendung „Flüchtlinge und Kriminalität – Die Diskussion!“ und der „Maischberger“-Folge „Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?“. Letztere wurde gar am Sendungstag hektisch umbenannt von zuvor „Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?“ – mit Sicherheit eine Reaktion auf die entbrannte Debatte.
Aber ist das wirklich so? Sind die öffentlich-rechtlichen Talkshows zu monothematisch? Wird dem Flüchtlingsthema überproportional viel Raum gegeben? Der stern hat sich die Sendungstitel der vier großen Talkshows seit Beginn des Jahres 2017 angeschaut. Das Ergebnis: Zusammen kommen „Menschen bei Maischberger“, „Hart aber Fair“, „Anne Will“ und „Maybrit Illner“ in diesen knapp anderthalb Jahren auf 203 Sendungen. Zumindest dem Titel nach ging es dabei in lediglich zehn Folgen explizit um Flüchtlinge. Zum Vergleich: Außenpolitische Themen wie US-Präsident Donald Trump (31 Sendungen) und Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (16) behandelten die Talker im selben Zeitraum deutlich öfter. Auch die Große Koalition wurde mit 13 Sendungen mehr besprochen.
Bei den einzelnen Formaten sieht das im Detail so aus:
- Plasberg: vier aus 53 Sendungen zu Flüchtlingen
- Will: zwei aus 45 Sendungen
- Maischberger: zwei aus 49 Sendungen
- Illner: zwei aus 56 Sendungen
Talkshows: Wahrnehmung vs. Wirklichkeit
Woher kommt dann die offenbar weit verbreitete Wahrnehmung, ARD und ZDF würden ständig über Flüchtlinge sprechen? Das Thema ist zunächst ein hoch emotionales mit einer starken und lauten Fürsprecher- und Helferszene aus dem eher linken Spektrum der Gesellschaft auf der einen und einer nicht weniger lauten Kritikergruppe auf der anderen Seite, insbesondere Anhänger der AfD. Entsprechend wird auch in den sozialen Medien sehr emotional darüber diskutiert. Die Debatte kann dadurch größer erscheinen, als sie ist.
Zudem ist auch die oben genannte Statistik zumindest teilweise trügerisch: Im Untersuchungszeitraum seit 2017 finden sich mehr als ein Dutzend Sendungen, bei denen bereits im Titel absehbar ist, dass es dort partiell auch um das Flüchtlingsthema und damit verbundene Aspekte ging. Solche Sendungsnamen sind etwa: „Beethoven oder Burka – Braucht Deutschland eine Leitkultur?“, „Angst auf den Straßen: Muss der Staat härter durchgreifen?“, „Israelhetze und Judenhass: Gibt es einen neuen Antisemitismus?“ oder „Terror mit Ansage: Was tun mit Gefährdern?“. Wer hier reinzappt könnte an der ein oder anderen Stelle den Eindruck bekommen, die Sendung drehe sich nur um Flüchtlinge. Addiert man diese Talkshows zu den zehn Flüchtlingssendungen dazu, nähert man sich schon den 31 Sendungen, die in den vergangenen anderthalb Jahren Donald Trump zum Thema hatten. Möglicherweise ruht hier also der Ursprung der gefühlten Wahrheit, die Talkformate seien zu flüchtlingslastig.
Die aktuelle Diskussion um die Talkshows von ARD und ZDF ist übrigens nicht neu. Bereits Anfang des vergangenen Jahres berichtete die ARD-Sendung „Monitor“ von einem überproportionalen Anteil an Sendungen zum Flüchtlingsthema. Für das Jahr 2016 passten allerdings auch die Zahlen zur These: Laut „Monitor“ ging es in 141 Sendungen insgesamt 40-mal um Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik und 15-mal um den Islam, Gewalt und Terrorismus. 21-mal wurde das Thema Populismus behandelt, vor allem solcher von rechts. „Andere Themen hatten keine Chance“, bilanzierten die Journalisten damals.
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