FRANKFURT (dpa-AFX) – Günstig bewertete Aktien dürften den Experten der Bank Societe Generale (SocGen) zufolge zu den Profiteuren anziehender Infrastrukturausgaben in den Industrieländern zählen. Im von höherer Inflation und steigenden Zinsen geprägten Wachstumsumfeld besäßen diese Investments traditionell besonders viel Luft nach oben, sagte am Dienstag der Anlagestratege Alain Bokobza im Rahmen eines Marktausblicks in Frankfurt.
Aktuell verschiebt sich Bokobza zufolge der Fokus in den entwickelten Volkswirtschaften weg von der geld- und hin zur nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik. So könnte die Europäische Zentralbank (EZB) bereits im Sommer eine weitere Normalisierung der Geldpolitik in Aussicht stellen, da die Inflation in wichtigen Ländern der Eurozone bereits seit mehreren Monaten anzieht und sich damit dem Zielwert der EZB von knapp unter 2 Prozent annähert. Bereits Ende Dezember hatten die Währungshüter angekündigt, das Volumen der monatlichen Anleihekäufe von derzeit 80 Milliarden Euro ab April 2017 auf 60 Milliarden zu senken. Vor diesem Hintergrund dürften in den kommenden Monaten die Nationalstaaten Europas für die Europäische Zentralbank in die Breche springen, um die Konjunktur zu stützen.
Nach Auffassung von Bokobza sollten in den kommenden Monaten viele Staaten Europas dem Beispiel Japans folgen und mit Hilfe staatlicher Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln versuchen. Selbst Deutschland könnte nach der Bundestagswahl Ende September diesen Weg einschlagen, obwohl die Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in den bisherigen drei Legislaturperioden eher für eine Stärkung der marktwirtschaftlichen Kräfte eingetreten sei. Doch falls Merkel wiedergewählt werden sollte, könnte sie nun eine Kehrtwende vollziehen: „Merkel ist proeuropäisch und pragmatisch“, sagte der Anlagestratege. Deshalb könnte sie sich in Zukunft etwa für höhere Infrastrukturausgaben einsetzen, um populistischen Kräften hierzulande entgegenzuwirken. Die Anleger würde eine solche Politik wahrscheinlich zunächst einmal beruhigen.
Auch europaweit sieht Bokobza wenig Gegenwind von Seiten der Politik. Sollten zum Beispiel bereits in diesem Jahr vorgezogene Parlamentswahlen in Italien stattfinden, seien durchaus positive Überraschungen möglich: „Der Markt unterschätzt die Macht der italienischen Demokratie“, sagte der Experte. Aktuell fürchten viele Anleger, dass die populistische und antieuropäische Fünf-Sterne-Bewegung weiteren Auftrieb gewinnen könnten.
Bei der Präsidentenwahl in Frankreich räumt Bokobza dem Kandidaten der französischen Konservativen, Francois Fillon, die größten Chancen ein. Er könnte sich in der Stichwahl Anfang Mai gegen den Ex-Finanzminister Emmanuel Macron durchsetzen, der als unabhängiger Politiker antritt. Sowohl Fillon als auch Macron würden Reformen in Angriff nehmen, um die französische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen hingegen habe nur geringe Chancen, an die Macht zu kommen.
Rückenwind für die europäische Konjunktur komme zunächst einmal auch aus den USA, sagte Bokobza. Die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Steuersenkungen, Deregulierungen und Infrastrukturausgaben würden letztlich auch die globale Wirtschaft ankurbeln. Zum Ende seiner vierjährigen Amtszeit hin aber würden die negativen Auswirkungen der Abschottungspolitik die positiven Impulse überwiegen.
Vor diesem Hintergrund sieht Bokobza in den nächsten Monaten vor allem Chancen bei den traditionell konjunktursensiblen Rohstoffen und bei solchen Aktien, die noch nicht zu teuer seien und damit Nachholpotenzial hätten. So könnten insbesondere Papiere von Banken und Versicherern zulegen, zumal höhere Zinsen deren Ertragslage verbessern sollte. Unter steigenden Zinsen leiden dürften allerdings die als eher defensiv geltenden Konsumgüter- oder Immobilienwerte.
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