Vor zehn Jahren wurde Osama bin Laden aufgespürt und getötet. Der Arzt, der der CIA half, den Al-Kaida-Chef zu identifizieren, bezahlt immer noch für die Kooperation mit dem US-Geheimdienst. Shakeel Afridi sitzt seither in Isolationshaft.
„Er ist nur im Gefängnis, um allen Pakistanern eine Lektion zu erteilen, nicht mit einem westlichen Geheimdienst zu kooperieren“, sagt Husain Haqqani, 2011 pakistanischer Botschafter in der US-Hauptstadt Washington. „Anstatt Bin Ladens Aufenthalt in Pakistan aufzuklären, haben die Behörden Doktor Afridi zum Sündenbock gemacht.“
Vor zehn Jahren lieferte der Arzt Shakeel Afridi dem US-Geheimdienst CIA den Beweis, dass sich der wegen der Anschläge vom 11. September 2001 gesuchte Osama bin Laden tatsächlich in dem vermuteten Haus in der Stadt Abbottabad aufhielt. Der Arzt startete ein Impfprogramm und gelangte so an eine DNA-Probe aus dem Versteck. Wie entscheidend Afridi bei der Identifizierung des Al-Kaida-Chefs tatsächlich war, ist unklar. Die Konsequenzen für den Mediziner waren und sind jedoch dramatisch: Wenige Wochen nach dem tödlichen Angriff der Spezialeinheit der Navy Seals in der Nacht zum 2. Mai 2011 wurde Afridi verhaftet.
Leben in einer Fünf-Quadratmeter-Zelle
In den Vereinigten Staaten gilt der Mediziner als Held, in seiner Heimat Pakistan aber als Verräter. Afridi wurde nie für schuldig befunden, etwas mit der Erstürmung des Bin-Laden-Verstecks zu tun zu haben, aber von einem Stammesgericht nach einem fragwürdigen Gesetz aus der Kolonialzeit zu 33 Jahren Haft verurteilt. Der Grund: Er soll angeblich einer aufständischen Gruppe Geld zur Verfügung gestellt haben. Die US-Regierung setzte sich in der Vergangenheit immer wieder für Afridis Freilassung ein und wollte auch einen Gefangenenaustausch aushandeln, doch die Versuche blieben erfolglos. Seit knapp zehn Jahren sitzt der Arzt in Einzelhaft.
Afridis Zelle im Gefängnis Sahiwal in der Provinz Punjab ist winzig, fünf Quadratmeter groß, wie seine Familie und sein Anwalt berichten – die einzigen, mit denen er Kontakt haben darf. Darin gehe er auf und ab und mache Liegestütze, um sich zu bewegen. Die einzige Lektüre ist der Koran, andere Bücher oder Zeitungen sind verboten.Pete Souza über Obama bin Laden Foto 17.45
Afridi „hat den höchsten Preis bezahlt“
Zweimal im Monat können ihn Angehörige besuchen, bleiben aber durch ein Eisengitter getrennt und dürfen sich nicht in ihrer Muttersprache Paschtu unterhalten. „Wir dürfen auch nicht über Politik diskutieren oder über die Situation im Gefängnis sprechen“, sagt Afridis Bruder. „Um es ganz klar zu sagen: Afridi hat den höchsten Preis bezahlt“, sagt Michael Kugelman, Südasienexperte am US-Forschungsinstitut Wilson Center in Washington. „Er wurde zum Prügelknaben.“
Doch das könnte sich ändern. „Der Rückzug der USA aus Afghanistan und die Verschlechterung der Beziehungen zu Pakistan, die damit einhergehen könnte, lassen vermuten, dass Afridi nicht mehr das heiße Eisen sein wird, das er in der Vergangenheit war“, sagt Kugelman.
Gesundheitsdienst lebt in Pakistan seither gefährlich
In Pakistan haben nur wenige Mitleid mit Afridi. „Wenn jemand für einen ausländischen Geheimdienst arbeitet, ist das ein unverzeihliches Verbrechen“, sagt Asad Durrani, der ehemalige Chef der pakistanischen Spionagebehörde. Vermutlich habe die Verhaftung den Arzt sogar vor Lynchjustiz bewahrt.
Das Misstrauen, das Afridis Kooperation mit der CIA in Pakistan geschürt hat, wirkt bis heute nach. Der Trick mit der Impfkampagne hat dazu geführt, dass Familien sich weigern, ihre Kinder zum Beispiel gegen Polio impfen zu lassen. Aufständische griffen Impfteams an, Dutzende Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes wurden in den vergangenen zehn Jahren erschossen.
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