EU-Gipfel in Brüssel
Brüssel (dpa) – Nach dem EU-Gipfel verbreitet Bundeskanzlerin Angela Merkel neue Zuversicht für die Zukunft der Europäischen Union. Die CDU-Chefin bezog dies vor allem auf den Neustart der deutsch-französischen Beziehungen mit Präsident Emmanuel Macron.
Allerdings verhakten sich die 28 Staats- und Regierungschefs erneut beim Dauerstreitthema Migration. Auch wurden sie sich nur schwer einig über ihre Handelspolitik und den Schutz der heimischen Wirtschaft. Großbritannien ist wegen des geplanten Brexits zunehmend isoliert.
Vor allem am ersten Gipfeltag waren Merkel und ihren Kollegen einige Beschlüsse ohne langen Streit gelungen. So trieben sie am Donnerstag die gemeinsame Verteidigungspolitik voran und billigten die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland. Zudem stellten sich die 28 Länder demonstrativ hinter das von US-Präsident Donald Trump aufgekündigte Pariser Klimaabkommen. «Es war ein Rat der Zuversicht und auch ein Rat der Tatkraft», zog Merkel am Ende bei einer Pressekonferenz mit Macron Bilanz.
Einigkeit demonstrierten die 27 bleibenden EU-Länder auch gegenüber
Großbritannien beim Brexit. Premierministerin Theresa May, die Ende März den Austritt aus der Gemeinschaft beantragt hatte, bot auf dem Gipfel den 3,2 Millionen EU-Bürgern in ihrem Land Bleiberechte und Rechtssicherheit an und sprach von einem «sehr fairen und ernsthaften Angebot». Die übrigen EU-Länder reagierten jedoch zurückhaltend und verwiesen auf die Brexit-Unterhändler, die sich damit befassen sollen. Merkel sprach von einem guten Anfang, der aber noch nicht genüge.
Die Eintracht in der EU reichte auch nicht für alle Themen. Die Beratungen über die Handels- und die Flüchtlingspolitik dauerten letztlich zwei Stunden länger als geplant. Bei der Verteilung von Flüchtlingen habe es keine Fortschritte gegeben, sagte Merkel. Das bleibe aber wichtiger Teil der europäischen Solidarität. Vor allem Italien und Griechenland bräuchten Hilfe. Das verlangte auch EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Polen, Ungarn und Tschechien verweigern jedoch die Aufnahme. Macron hatte dies vor dem Gipfel heftig kritisiert und damit empörte Reaktionen der Länder provoziert. Nun mahnte der französische Präsident erneut: «Wir müssen Solidarität zeigen, wenn ein Nachbar mit einem enormen Zustrom an Flüchtlingen oder Migranten konfrontiert ist.» Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hielt dagegen: «Polen schließt eine Unterstützung des Mechanismus einer automatischen Umverteilung von Flüchtlingen aus», sagte sie.
Lange rangen die EU-Staaten auch um Instrumente zum Schutz der heimischen Wirtschaft gegen Auswüchse der Globalisierung. Hier wollte Macron besseren Schutz gegen Unternehmensaufkäufe in strategischen Branchen, vor allem durch chinesische Firmen. Doch gab es Vorbehalte aus Ländern, die dringend auf ausländische Investitionen hoffen. Schließlich einigte man sich auf einen Formelkompromiss. Die EU-Kommisison soll analysieren, welche strategischen Branchen genauer unter die Lupe genommen werden sollen.
Skepsis kam wiederum von Szydlo. «Polen wird sich protektionistischen Handlungen entschieden widersetzen», sagte die Regierungschefin. Doch stellte Ratspräsident Tusk klar: «Europa ist und bleibt offen für Geschäfte. Aber wir stimmten überein, dass wir unsere Menschen besser vor unfairen Praktiken schützen müssen.»
Freuen kann sich die EU über gute Wirtschaftszahlen. Überall gebe es Wachstum und die Beschäftigungszahlen hätten einen Höchststand erreicht, sagte Tusk. «Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben wir so gute Neuigkeiten.»
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