Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine droht zu eskalieren. Nach dem gewaltsamen Vorgehen der russischen Küstenwache gegen drei Schiffe der ukrainischen Marine vor der Halbinsel Krim könnte das Parlament in Kiew am Montag das Kriegsrecht ausrufen. Ebenfalls am Montag wird sich der UN-Sicherheitsrat in New York mit der Lage befassen. Die EU und die Nato zeigten sich besorgt und riefen zur Deeskalation auf.    

Das ist passiert

Der Vorfall ereignete sich am Sonntag an der Straße von Kertsch, einer Meerenge zwischen der Krim und Russland, die das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer verbindet. Die Ukraine wirft Russland vor, drei seiner Marineschiffe beschossen und aufgebracht zu haben. Dabei seien sechs ukrainische Marinesoldaten verletzt worden, zwei von ihnen schwer. Bei den betroffenen Schiffen handelt es sich demnach um zwei kleine Kriegsschiffe und einen Schlepper.    

Was Russland zu dem Vorfall sagt …

Die russische Inlandsgeheimdienst FSB, der auch für den Grenzschutz zuständig ist, bestätigte, die ukrainischen Schiffe seien mit Einsatz von Waffen gestoppt worden. Russische Kräfte seien an Bord gegangen und hätten die Schiffe durchsucht. Demnach wurden drei ukrainische Soldaten verletzt und medizinisch versorgt. Sie seien nicht in Lebensgefahr. Der FSB warf den ukrainischen Marineschiffen vor, die russische Grenze verletzt und „in russischen Hoheitsgewässern illegale Aktivitäten“ betrieben zu haben.

… und welche Maßnahmen die Ukraine nun ergreift

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko verurteilte dagegen einen „aggressiven Akt“ Russlands und eine „vorsätzliche Eskalation“. Bei einer dringend einberufenen Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates wurde am Sonntagabend beschlossen, für 60 Tage das Kriegsrecht zu verhängen. 

Nach dem Aufbringen mehrerer ukrainischer Marineschiffe durch Russland hat Kiew seine Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft versetzt. Der Befehl sei gegeben worden, nachdem der Sicherheitsrat des Landes die Verhängung des Kriegszustands empfohlen habe, teilte das Verteidigungsministerium am Montag mit.

Poroschenko bekräftigte, es handle sich nicht um eine „Kriegserklärung“ an Russland. Das Kriegsrecht solle lediglich zu Verteidigungszwecken verhängt werden. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin rief die westlichen Verbündeten auf, sich der Aggression Russlands entgegenzustellen.    

So geht es nun – zunächst – weiter

Der UN-Sicherheitsrat in New York wird sich am Montag (11.00 Uhr Ortszeit; 17.00 Uhr MEZ) in einer Dringlichkeitssitzung mit der Lage befassen. Beantragt wurde die Sitzung nach Angaben von Diplomaten von Russland und der Ukraine.    

Derweil rief EU-Kommissionssprecherin Maja Kocijanic alle Beteiligten auf, „mit größter Zurückhaltung zu agieren, um die Situation sofort zu deeskalieren“. „Die Spannungen im Asowschen Meer und in der Straße von Kertsch haben sich heute gefährlich verstärkt“, erklärte Kocijanic. „Wir erwarten von Russland, die freie Passage der Straße von Kertsch wiederherzustellen.“    

Auch die Nato rief zu „Zurückhaltung und Deeskalation“ auf. An Russland appellierte das Verteidigungsbündnis in einer Erklärung, „in Übereinstimmung mit internationalem Recht einen ungehinderten Zugang zu ukrainischen Häfen im Asowschen Meer sicherzustellen“.    

Die Straße von Kertsch ist sowohl für Moskau als auch für Kiew von größter Bedeutung. Die Meerenge ist die einzige Verbindung zwischen dem Schwarzen Meer und dem nördlich gelegenen Asowschen Meer. Am Asowschen Meer liegen unter anderem das von pro-russischen Separatisten kontrollierte Industriegebiet Donbass und die Hafenstadt Mariupol, die letzte noch von Kiew kontrollierte große Stadt im Osten der Ukraine und ein wichtiger Industriestandort.    

Am Morgen öffnete Russland die Meerenge von Kertsch vor der Halbinsel Krim wieder für den Verkehr. Seit 4.00 Uhr dürften Schiffe sie wieder passieren, berichteten russische Medien unter Berufung auf die Behörden der Krim.

Die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau sind seit Langem äußerst angespannt. Russland hatte die Krim im Frühjahr 2014 annektiert. Die ukrainische Regierung wirft Moskau überdies vor, pro-russische Kämpfer bei dem Konflikt in der Ostukraine aktiv zu unterstützen.

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